Als Branchentreffen für die Online-Video-Szene funktioniert die VidCon auch außerhalb der USA. Was sich nicht so einfach verpflanzen lässt: Der Vibe eines ausgeflippten Karnevals der Video-Community, der die VidCon in ihrer Heimat ist. Der europäische Markt ist sehr heterogen. Und die Macher schafften es nicht, das in einen Vorteil zu verwandeln.
Rund 3.000 Besucher kamen über das Wochenende ins RAI, das große Veranstaltungszentrum im Süden Amsterdams. Es hätten ohne Probleme dreimal so viele reingepasst. Weswegen die große Ausstellungshalle oft fast ein wenig verweist wirkte. Lange Schlangen bildeten sich nur an den Autogrammständen, wo die Fans geduldig auf ihren Moment mit einem großen YouTube-Star warteten. Von denen waren einige gekommen, wie Tyler Oakley, Hannah Hart oder das Comedy-Duo Rhett and Link, was einerseits die Zugkraft der Marke VidCon verdeutlichte.
Doch es waren halt “nur” die großen englischsprachigen Stars, die sich ein Stelldichein gaben. Bekannte Social-Media-Stars aus Spanien, Frankreich oder Deutschland waren nicht Teil des offiziellen Programms. Creator wie Julien Bam oder die international erfolgreichen Musically- und Instagramstars “Lisa und Lena” waren zwar vor Ort. Aber weder auf der Bühne noch auf einem der zahlreichen Panels kamen sie in Kontakt mit ihren Fans.
Eine vertane Chance: Natürlich ist es eine Herausforderung, die unterschiedlichen Sprachen, Fans aus verschiedenen Ländern und Kulturkreisen unter einen Hut zu bringen. Aber was für ein Signal wäre es in Zeiten wie diesen gewesen, hätte man die VidCon zu einem bunten, vielfältigen Festival der Kulturen gemacht. Doch wahrscheinlich reichte die Vorstellungskraft der amerikanischen Veranstalter gar nicht weit genug zu erkennen, welche Strahlkraft von einer großen, europäischen Jugendveranstaltung ausgegangen wäre.
Was der Veranstaltung im Community-Teil fehlte, machte sie immerhin mit dem fachlichen Teil wett. Dank der guten Kontakte der Macher kamen zahlreiche Bewegtbild- und Social-Media-Profis nach Europa und gaben Einblicke in aktuelle Trends und Entwicklungen vom immer noch wichtigsten Online-Video-Markt. Insbesondere die “Hacker” der Algorithmen von Facebook und YouTube wurden selber fast schon wie “Stars” gefeiert. Gavin Mc Garry (President bei Jumpwire), Matt Gielen (Little Monster Media) oder Thomas Cilius (Snaplytics) gaben Einblicke, wie man die Funktionsweisen der Social Media Plattformen für sich nutzen kann, um gezielt mehr Reichweite aufzubauen. Das kam an beim Publikum:“I’m a big fan”, erklärte ein Besucher dem verblüfften Matt Gielen, dessen Vorträge zu den Mechanismen von YouTube zu den Höhepunkten der Veranstaltung gehörten.
Es waren diese Panels, die das Experiment “VidCon Europe” letztlich zu einem geglückten machen. Wenn selbst Veteranen der Szene hinter sagen, dass sie noch etwas lernen konnten, ist klar, dass das Niveau der Vorträge deutlich über dem lag, was man sonst bei Konferenz dieser Art zu hören bekommt. Als Konkurrenz zu Veranstaltungen wie den VideoDays taugt sie allerdings nicht. Die Macher werden sich entscheiden müssen: Wollen sie auch außerhalb der USA mehr sein als nur ein renommierter Branchentreff? Dann müssen sie den Fans mehr bieten, als nur die Stars aus Übersee. Die Fans wollen “ihre Stars” aus der Heimat. Und um diese herzulocken, müssen die Veranstalter mehr als nur eine Schüppe drauflegen.
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