Das Weltall kann ein ungemütlicher Ort sein: Gerade noch warst du die sympathische, etwas verrückte, aber verlässliche gute Seele des Raumschiffs. Im nächsten Moment bohrt dir einer deiner besten Freunde ein Loch in den Schädel, um mit dem Pilz in deinem Kopf zu sprechen. Yikes! Der alienartige Bodyhorror um Tilly nimmt auch in der vierten Episode von Star Trek: Discovery kein Ende. Und die bedauernswerte Jungoffizierin ist nicht die einzige, die so einiges durchmachen muss.

Star Trek ist schon immer bemüht gewesen, in der Kälte des Weltalls mehr als nur ein lebensfeindliches Dunkel zu sehen, aus dem jederzeit unvorstellbares Grauen emporsteigen könnte. Anders als bei stilprägenden Schockern wie “Alien” oder “Event Horizon” entpuppt sich die vermeintliche außerirdische Bedrohung meist als eine unverstandene Lebensform. Die Lösung besteht nicht im Konflikt, sondern darin, mit Verstand und Empathie einen Weg zu finden, mit der fremden Intelligenz kommunizieren zu können. Es ist utopistische, keine fatalistische Science-Fiction, die im Markenzeichen von Star Trek steht. Und doch hat das Franchise immer wieder Ausflüge ins Horror-Genre unternommen. Man denke nur an die Begegnungen mit den assimilierenden Borg, die – “Widerstand ist zwecklos!” – danach trachten, sich jedwede Lebensform buchstäblich einzuverleiben, in dem sie sie zum Teil ihres kybernetischen Kollektivs machen. Diese Urangst, dass da im All etwas auf uns lauert, dem weder unsere Technologie, noch unsere Biologie etwas entgegenzusetzen haben, spielt auch in dieser Folge eine wichtige Rolle.

Im Schwitzkasten

In “An Obol for Charon”, so der etwas zu intellektuell selbstverliebte Titel dieser Folge, sind es gleich zwei extraterrestrische Entitäten, die versuchen, mit uns Menschen in Kontakt zu kommen. Deren Kommunikationsversuche haben allerdings fatale Konsequenzen. Das erste Wesen ist dabei eine großartige, trek-typische Science-Fiction-Fantasie: Eine Art uralter, lebender und denkender Planet blockt den Pfad der Discovery, als sie sich an die Verfolgung des verschollenen Spock machen will. Diese unheimliche Begegnung bringt vor allem Saru ins Schwitzen: Anscheinend löst der monströse Bremsklotz bei dem Kelpianer ein für seine Art typisches, unglücklicherweise aber unheilbares Fieber aus.

Gleichzeitig steckt auch die Discovery im Schwitzkasten: Durch das unsanfte Zusammentreffen mit dem mysteriösen Gigantenwesen haben die meisten Systeme des Raumschiffs versagt. Ein unterhaltsames Intermezzo mit dem kaputten Universalübersetzer kann der sprachbegabte Saru noch auflösen. Doch die Probleme im Maschinenraum sind weit größer. Dort ist das parasitäre Pilzwesen, dass Stamets in der vorangegangenen Folge recht unliebsam aus Tillys Körper entfernt hat, aus der Quarantäne ausgebrochen. Der “Blob”, wie Stamets es nennt, klammert sich umgehend wieder an die arme Tilly und schickt sie zurück auf den üblen Trip, dem sie eigentlich entkommen zu sein glaubte. Da erinnert sich Stamets an das Ende von Darren Aronofskys Psychofilm “Pi”, greift zum Akkuschrauber und stimmt mit Tilly David Bowie an.

Es ist wahrhaftig eine Space Oddity, auf die die immerhin fünf (!) Drehbuchautoren dieser Folge die Zuschauer schicken. Die Haupthandlung um Spock auf der Flucht kommt nach wie vor nur im Schneckentempo vorwärts. Diesmal ist es die Erste Offizierin der Enterprise, die bei ihrem ersten Auftritt in der Serie ein paar Brotkrumen hinwerfen darf, die uns auf der Spur des berühmten Vulkaniers halten sollen. Doch noch bevor der Vorspann gelaufen ist, ist Rebecca Romijn als die ikonische “Number One” auch schon wieder verschwunden. Da hatten wir uns noch gar nicht richtig an sie gewöhnt. Dafür tauchen aus dem Nichts einige andere Charaktere auf, die man so gar nicht mehr auf dem Schirm hatte. Unvermittelt betritt in einer Szene Jett Reno den Maschinenraum, die als weiblicher Mark Watney-Verschnitt erneut ein durchaus unterhaltsames und belebendes Elemente für die Crew ist. Aber warum die schlagfertige Ingenieurin immer noch – oder schon wieder – auf der Discovery ist, bleibt offen.

Der Fisch kann sprechen

Der mit Gaffertape zusammengeklebte Figurenreigen wird ergänzt durch Linus, den Saurianer, der zur Überraschung aller auf einmal sogar sprechen kann, nachdem er in Folge Eins lediglich gargeln und Rotze verteilen durfte. Viel zur Handlung beizutragen hat er allerdings nicht, genauso wie Spikes Vertraute aus dem Piloten dieser Staffel, von der man den Namen auch schon längst wieder vergessen hatte (“Nhan”). Das rasante Personalroulette ist umso verwirrender, als die Handlung sich im Verlauf immer mehr auf zwei Personen fokussiert: Tilly und Saru, die beide auf fatale Art von den außerirdischen Lebensformen beeinflusst werden.

Dabei nehmen beide Charaktere komplett gegensätzliche Entwicklungen. Zu Beginn dieser Staffel hatte die frisch ins Kommandotraining aufgenommene Rekrutin noch verkündet, “drunk on power” zu sein. Nun muss sie erfahren, wie es ist, die Kontrolle über sich, ihr Schicksal und ihr Leben zu verlieren. Es ist eine emotionale Achterbahnfahrt, die Mary Wiseman fantastisch meistert und damit ihren Teil dazu beiträgt, dass diese Folge nicht im Chaos versinkt. Als Zuschauer leiden wir mit der sympathischen Tilly in jeder Sekunde mit, der in dieser Folge wahrhaft übel mitgespielt wird.

Fragen von Leben und Tod

Der zweite Fixpunkt ist der genauso in Bestform spielende Doug Jones als Saru. Im Gegensatz zu Tilly scheint er aber unter dem Einfluss der außerirdische Präsenz an Statur zu gewinnen. Von Kindesbeinen an ist der Kelpianer von seiner Angst vor dem Tod fremdbestimmt gewesen. Doch als ihm sein Lebensende unausweichlich bevorzustehen  erscheint, nimmt er sein Schicksal und das Crew der Discovery selbst in die Hand und ist in der Lage, über sich hinauszuwachsen. Während Tilly am Ende den Bezug zu unserer Realität und sich selbst verliert, findet Saru endlich zu sich und seiner wahren Stärke.

Es geht also um nicht weniger als um Leben und Tod und die Frage, was von uns bleibt, wenn wir mal nicht mehr sind. Wie schon in Staffel Eins bleibt das übergreifende Thema von Discovery die Suche nach der eigenen Identität und dem richtigen Platz im Universum. Das sind starke Themen, die auch in dieser Folge mit der angemessenen emotionalen Wucht behandelt werden. Die finale Szene zwischen Burnham und Saru ist einer der bewegendsten Dialoge der ganzen Serie und erreicht das Niveau des “Das Wohl Vieler überwiegt das Wohl eines Einzelnen”-Gesprächs zwischen Kirk und Spock in Star Trek: Zorn des Khan. Große Fußstapfen gewiss, doch es ist gut, dass Discovery sich nach wie vor zutraut, diese ausfüllen zu können.