Eine der berührendsten Szenen der Star Trek-Geschichte rundet die letzte Folge von Star Trek: Picard ab. Das finale Zwiegespräch zwischen Jean-Luc Picard und Lt. Commander Data an der Schwelle zwischen Leben und Tod ist Star Trek at its best. Es lässt die locker ein Dutzend offenen Fragen in den Hintergrund treten, die “Et in Arcadia Ego II” trotz aller Stärken hinterlässt.

Eine gute Stunde dauert Picards persönliche Schlacht der fünf Heere, in der sich Romulanische Illuminaten, in die Irre geführte Androiden, eine eilends herbeigerufene Armada der Sternenflotte unter der Führung Will Rikers (Yes!), transdimensionale Roboter-Götter und unsere Helden gegenüberstehen. Die müssen natürlich in bester Star Trek-Tradition die Welt und das Universum retten, konkret bedeutet das in diesem Fall: Das Ende allen organischen Lebens verhindern.

Die Romulaner hatten Recht?

Der bizarre Plot-Twist, der sich im ersten Teil dieser Doppelfolge bereits angedeutet hatte, wird nun Wirklichkeit. Die durchgeknallte Romulaner-Geheimbund-Sekte hatte Recht: Es gibt tatsächlich ein kybernetisches Ragnarök. Übermächtige Maschinenwesen bedrohen in der Tat alles Leben im Universum. Das ist ungefähr so, als würde Batman herausfinden, dass Joker gar kein Wahnsinniger Irrer ist sondern Robin Hood. Aber es ist, wie es ist: Vor dem Hintergrund dieser Bedrohungslage sehen sich Elnor, Raffi und Rios gezwungen, mit ihrem Erzfeind Narek zusammenzuarbeiten.

Letzterer ist als Charakter inzwischen in völliger Beliebigkeit versunken. In der letzten Folge stiftete die Androidenanführerin ihn noch an, den Borgwürfel außer Gefecht zu setzen. Doch daran hat der intrigante Wendehals gar kein Interesse. Er tut das, was das Script von ihm verlangt, egal, ob es zu seinen vorherigen Aktionen passt. Eine echte Charaktermotivation ist bei ihm ohnehin nicht erkennbar, da kann er auch als McGuffin herhalten, um die Handlung in die erforderliche Richtung zu lenken. So egal ist Narek, dass er am Ende kommentarlos von der Bildfläche genommen wird.

Man muss schon die Instastories des äußerst mitteilungsfreudigen Showrunners Michael Chabon verfolgen, um zu erfahren, was aus dem romulanischen Widerling wurde. Er sei von der Sternenflotte in Gewahrsam genommen worden, ließ Chabon dort wissen, sprach gar von einer entfallenen Szene, die es nicht in den Final Cut geschafft habe. Wie auch immer. Narek ist am Ende einfach weg. Und niemand wird deswegen eine Träne vergießen.

Seven kicks ass

Genauso uninspiriert verlaufen die Abgänge der anderen beiden spitzohrigen Antagonisten. Commodore Oh, gestartet als Doppelagentin in den Reihen der Föderation, durchgeknallte Sektenführerin und Mastermind der ganzen Verschwörung, bekommt nur wenige, bedeutungslose Stanzen aus dem Standardrepertoire der Filmbösewichte, bevor sie unbehelligt ihrer Wege ziehen darf.

Ihre Ziehtochter Narissa hingegen taucht wie aus dem Nichts auf dem Borgwürfel auf. Woher ist zu diesem Zeitpunkt längst egal. Seven prügelt sie zuerst windelweich und gibt ihr schließlich den Rest, was zumindest Narissas Abgang irgendwie befriedigend macht. Aber widmen wir uns jetzt einfach den erfreulichen Dingen dieses weitestgehend konfusen Finales. Denn die letzten Minuten entschädigen dann doch für Einiges.

Wiedersehen im Second Life

Ein letztes Mal treffen Captain Picard und Lt. Commander Data in einer Art Second Life aufeinander. Ein ISO-Image von Datas Bewusstsein läuft als Endlos-Simulation auf den Servern von Soong Jr.. Dort begegnen sich die alten Weggefährten, beide auf der Schwelle zwischen Leben und Tod. Während Data nicht sterben kann, klammert sich Picard verzweifelt an ein hauchdünnes Fädchen, dass seinen Geist noch mit dem Leben verbindet. Zusammen nutzen sie die Zeit, um endlich ihren Frieden zu finden.

Picard kann den schwerwiegenden Verlust seines Freundes verarbeiten und ihm endlich die Abschiedsworte mit auf den Weg geben, die ihm jahrzehntelang im Hals stecken geblieben waren. Und Data bekommt von seinem Mentor und Vorbild das Geschenk, dass er sich immer gewünscht hat: Ein endliches, menschliches Dasein. Und so tauschen der unsterbliche Android Data und der sterbliche Picard in einem großartigen, metaphysischen Moment die Plätze. Picard wird zum “Ghost in the Shell” und tritt Datas Erbe als hochentwickelte künstliche Lebensform an. Data hingegen geht den letzten Weg, der eigentlich für Picard bestimmt war.

Wenn Picard stark war, dann richtig stark

Wer es übel meint mit dieser Serie, wird sagen, dass dies die passende Metapher für einen überalterten Charakter ist, der nun künstlich am Leben gehalten werden muss. Ich stehe eher auf der anderen Seite dieses Arguments: Picard ist neues Leben eingehaucht worden. Er hat sich diese zweite Chance verdient. Was für die letzte Folge gilt, trifft auch auf mein Gesamturteil dieser Serie zu. Es war genug dabei, was mir gefallen hat.

Die Wiedersehen mit Troi, Data, Riker, Seven of Nine und anderen Weggefährten von einst haben genug Kraft gehabt, über die ein oder andere Schwäche zu tragen. Wenn “Picard” stark war, war die Serie richtig stark. Als intelligente Science-Fiction-Serie, die sich traut, Asimov und Shakespeare zu zitieren, aber auch epische Weltraumschlachten und B-Movie-Action kann, hat sie sich ihren Platz im modernen TV-Universum verdient.