Endlich ist er da. Nach vielen, vielen Episoden des Wartens kehrt einer der prägendsten Star-Trek-Charaktere überhaupt auf die TV-Bildschirme zurück. Reden wir also über Mr. Spock.
Im Grunde war Spock nie wirklich weg. Ab dem Moment, als die Macher verkündeten, dass die Hauptfigur von Star Trek: Discovery die bislang unerwähnte Adoptivschwester des halbmenschlichen Vulkaniers sein würde, war er Teil der Show. Den Produzenten muss bewusst gewusst sein, dass sie damit einen Geist herbei riefen, der die Serie vom Start weg plagen würde. Einerseits war da die faszinierende Aussicht, einen, wenn nicht den prägenden Charakter des Star Trek-Franchise wieder in einer TV-Serie zu haben. Andererseits stellten sich die Macher damit einen gigantischen, rosa Elefanten in den Raum. Egal, was Michael Burnham und der Rest der Crew fortan tun sollten: Immer stellte sich auch die Spock-Frage. Das Warten auf Mr. Spock, es entwickelte sich über zwei Staffeln zu einer bisweilen quälenden Veranstaltung für Fans und Zuschauer.
In Folge sieben der zweiten Staffel tritt der junge Spock nun endlich, nach zahlreichen Rückblenden und Erzählungen, selbst in Aktion. Wobei: Von “Aktion” kann nicht wirklich die Rede sein, angesichts der Tatsache, dass Spock weiterhin nicht viel zu tun hat. Stattdessen degeneriert er vom Genie zum brabbelnden psychisch Kranken mit angeborener Lernschwäche. Es ist ein Charakter-Twist, der nur funktioniert, wenn man alles, was man bisher über Spock zu wissen glaubte, über Bord wirft. Was schwierig ist bei einem Charakter, der die Welt von Star Trek geprägt hat wie kein anderer.
Vom Spock-Griff zum Emoji
Man könnte eine Reihe von Dingen anführen, um die Bedeutung von Spock zu unterstreichen. Etwa die, dass nach seinem Filmtod eigens ein weiterer Film produziert wurde, der nur dazu diente, den Charakter wiederzubeleben. Oder die Tatsache, dass der Charakter noch vor Captain Kirk im ersten Enterprise-Pilotfilm “The Cage” an Bord des Raumschiffs war; aber dazu später mehr. Dass Spock bis heute diese Kultfigur ist, ist natürlich dem großartigen Leonard Nimoy zu verdanken. Er machte sich die Figur über Jahrzehnte zu eigen und formte sie zu einer zeitlosen Ikone der Popkultur. Noch Anfang der 1990er Jahre, da ging die 1966 erstausgestrahlte Originalserie schon stramm auf die 30 zu, war es Spock, der mich am Meisten faszinierte, als ich mit den im Nachmittagsfernsehen ausgestrahlten Wiederholungen von “Raumschiff Enterprise” die Welt von Star Trek kennenlernte.
Die hochgezogene Augenbraue oder der berühmte “Spock-Griff”, mit dem der Vulkanier seine Gegner mit einer einzigen, eleganten Bewegung außer Gefecht setzen konnte, waren nur zwei seiner unverwechselbaren Markenzeichen. Und dann war da natürlich der typisch vulkanische Gruß, bei dem Mittel- und Ringfinger zum “V” gespreizt werden, während die anderen Finger geschlossen bleiben. Es ist die Geste, die jeder junge Star Trek-Fan übt, sobald er sie das erste Mal gesehen hat. In einer Rückblende in die gemeinsame Kindheit von Spock und Burnham wird dieser Tatsache rührend Referenz erwiesen. Der große Bruder bringt seiner Schwester das ungewohnte Begrüßungsritual der Vulkanier bei und erzeugt einen ersten Moment geschwisterlicher Nähe. Wie sehr diese von Leonard Nimoy erfundene Geste zum festen Bestandteil unserer Alltagskultur geworden ist, mag man abschließend auch daran ablesen, dass es für sie ein eigenes Emoji gibt 🖖. Das kann nicht mal „Star Wars“ für sich behaupten.
Also: Spock ist eine Legende, darüber müssen wir nicht weiter sprechen. Insofern ist die Versuchung ebenso groß wie nachvollziehbar, diesem Charakter auf den Grund kommen zu wollen, “seine Geschichte neu zu erzählen”, wie es im Sprech der großen Recyclingmaschine Hollywoods heute so schön heißt. Das kann funktionieren, wie im Kino-Reboot der J.J. Abrahams-Filme, als Leonard Nimoy generös den Staffelstab an Zachary Quinto weiter reichte, der seinerseits dem Vorbild würdig die Ehre erwies. Nun ist mit Ethan Peck der dritte Spock an der Reihe. Und er gibt sein Bestes, aus der Rolle etwas zu machen. Viel zu tun bekommt er allerdings auch in dieser Folge nicht.
Nach wie vor hat man das Gefühl, als wüssten die Macher der Serie nicht wirklich etwas mit Spock anzufangen. Gefangen zwischen dem selbst auferlegten Druck, die Figur neu zu erfinden, aber gleichzeitig ihr Erbe zu verwalten, sind sie erstarrt wie das Kaninchen vor der Schlange. Und so ist Spock derzeit nicht mehr als ein MacGuffin. So bezeichnen Drehbuchautoren austauschbare Gegenstände oder Personen in einer Geschichte, die die Handlung vorantreiben, ohne selbst eine Bedeutung zu haben. Für den Charakter ist das ein trauriger Zustand, der hoffentlich sehr bald beendet wird.
Ziemlich beste Freunde
Nach wie vor dreht sich alles um den mysteriösen “Red Angel”. Nachdem jener zuletzt als Retter in der Not auftrat, zeigt er in dieser Folge seine aggressive Seite und hetzt Ash Tyler und Captain Pike eine aufgemotzte Drohne aus der Matrix auf den Hals. Um der tödlichen Gefahr zu entkommen, müssen sich die beiden ungleichen Alpha-Männer endlich zusammenraufen. Nichts schweißt zwei starke Typen mit eindrucksvollen Frisuren so sehr zusammen wie ein Ritt in eine gute, alte, temporale Anomalie. Also tun die beiden Rowdies Pike und Tyler genau das; und kommen als beste Kumpel von diesem Abenteuer zurück. Dafür bringen sie ohne es zu merken noch einen ungebetenen Gast mit, dessen wahre Agenda sich noch erweisen wird. Doch seit Terminator wissen wir, dass rot glühende Roboteraugen selten etwas Gutes verheißen. Da steht der Discovery noch Ärger ins Haus.
Unterdessen begibt Michael Burnham sich auf der Suche nach Mr. Spock nach Vulkan. Dass, was sich schon angedeutet hat, bestätigt sich: Amanda, die Mutter von Spock und Michael, hat sich schützend vor ihren Sohn gestellt, um ihn vor dem Zugriff der Föderation zu bewahren. Wir erfahren von ihr, dass Spock sich seit seiner Kindheit mit einer seltenen, vulkanischen Lernschwäche plagt. Lediglich seine menschlichen Gene haben ihn davor bewahrt, komplett dem Wahnsinn anheim zu fallen. Dennoch ist er derzeit weit davon entfernt, Herr seiner Sinne und seines Verstandes zu sein. Heilung erhoffen sich Michael und Spocks Vater Sarek ausgerechnet von der sinistren Sektion 31. Die, so die Logik, will an die Informationen, die Spock mutmaßlich über den Red Angel in seinem Kopf verstaut hat. An Bord des Sektionsschiffs gerät Michael allerdings in den Machtkampf zwischen Georgiou und Sektionschef Leland. Erstere tut natürlich alles in ihrer Macht stehende, um die Dinge aus dem Ruder laufen zu lassen. Es ist wie immer eine Freude, Michelle Yeoh in der Show zu haben, erst Recht, wenn sie dazu noch die Gelegenheit bekommt, ihre außergewöhnlichen Kampfkünste zu zeigen.
Am Ende entschlüsselt Michael die kryptischen Wortfetzen ihres Bruders in bester “Da Vinci-Code”-Manier. Es ist traurig, dass wir mit der Haupthandlung inzwischen auf diesem Schnitzeljagd-Niveau angekommen sind. Ansonsten hätten wir hier eine mehr als gelungene Episode vor uns. Der nächste Hinweis wird unsere Helden nun zu einem Planeten namens Thalos IV führen. Hardcore-Fans horchen bei diesem Planeten natürlich auf, es ist ein weiterer Callback zur bereits erwähnten Folge “The Cage”. Der Original Enterprise-Pilot sollte eigentlich den Auftakt für die gesamte Serie bilden, mit Captain Pike an der Spitze. Als die Produktion in Schwierigkeiten geriet, unter anderem gab es Differenzen mit Pike-Darsteller Jeffrey Hunter, musste die Serie neu gestartet werden. Und ein gewisser William Shatner übernahm als James T. Kirk den Stuhl des Captains auf der Enterprise. Die Vorgänge in “The Cage” wurden später in einer berühmten Enterprise-Doppelfolge (The Menagerie I&II) aufgearbeitet. Die bereits gedrehten Szenen des bis 1988 nie ausgestrahlten Piloten fanden dabei in Rückblenden Verwendung. Nun sieht es so aus, als würde auch Discovery zu diesem Grundpfeiler des Star Trek-Franchise zurückkehren. Vielleicht gelingt es dort endlich, dem Charakter Spock neues Leben einzuhauchen.
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