Wenn alle Folgen durch sind, muss ich unbedingt eine Topliste mit den besten Was-zum-F-Momenten der zweiten Staffel Star Trek: Discovery machen. Bereits gesetzt sind: L’Rell, die den Kopf eines Fake-Babys durch die Luft wirbelt, die Wiedergeburt des Dr. Culber, außerdem Saru, der plötzlich Dartpfeile aus seinen Ohren schießen kann. Heiße Kandidaten der zehnten Folge für diese Liste: Imperatorin Georgiou, die Culber und Stamets im Beisein von Tilly einen Dreier vorschlägt. Und Sektion-31-Chef Leland, der von einem Sehtest angegriffen wird. Und da haben wir noch gar nicht über die große Enthüllung dieser Episode geredet: Der Red Angel zeigt endlich sein wahres Gesicht.
„The Red Angel“ beginnt mit einer ebenso traurigen wie warmherzigen Szene: Die Crew der Discovery verabschiedet die in der letzten Folge gestorbene Airiam. Doch viel Zeit zum Trauern bleibt nicht: Nach wie vor ist das Rätsel um den Red Angel nicht gelöst. Und es wird noch mysteriöser: Tilly findet heraus, dass das rätselhafte Wesen Michael Burnham selbst sein könnte. Zeit also, den Engel einzufangen. Damit das gelingt, ist Teamwork nötig. Die Discovery und Sektion 31 müssen zusammenarbeiten. Sogar Dr. Culber kriegt wieder etwas zu tun, nachdem ihn Admiral Cornwell moralisch aufgepäppelt hat. Unterdessen findet Michael Burnham heraus, dass Leland ihr ein dunkles Geheimnis um ihre Familie und den Tod ihrer Eltern verschwiegen hat. Doch selbst Leland scheint nicht zu wissen, was wirklich vor sich geht. Und auch wir Zuschauer verlieren langsam aber sicher den Überblick über die zunehmend konfuse Handlung.
Showrunner folgt auf Showrunner
Vielleicht ist es an der Zeit, mal einen kurzen Blick hinter die Kulissen von Star Trek: Discovery zu werfen. Denn da geht es nicht weniger turbulent zu als vor der Kamera. Bereits in der ersten Staffel hatte es einen Wechsel an der Spitze der Produktionscrew der Serie gegeben. Das ursprüngliche Konzept zu Discovery stammt noch von Bryan Fuller, der als einer der visionärsten aber auch schwierigsten Serienproduzenten gilt. Doch auf Grund “künstlerischer Differenzen” verließ Fuller die Serie zur Mitte der ersten Staffel.
Daraufhin übernahmen Gretchen Berg und Aaron Harberts die wichtige Position des Showrunners, also des Gesamtverantwortlichen für die Serie. Berg und Harberts brachten die erste Staffel sauber über die Bühne, aber der Bruch in der Produktion war deutlich zu spüren. Nicht nur, dass es eine Sendepause in der Mitte der ersten Staffel gab: Auch die Handlung, die vom Klingonenkrieg abrupt ins Spiegeluniversum sprang, fühlte sich an, als wären zwei komplett unterschiedliche Konzepte zusammengefrickelt worden.
Mit Berg und Harberts an der Spitze begann die Produktion von Staffel Zwei. Und – dejá vu – auch dieses Duo musste urplötzlich gehen. Ursache waren wohl Differenzen mit den Drehbuchautoren, die sich tatsächlich gemobbt fühlten. Kurzfristig übernahm Chefproduzent Alex Kurtzman die Leitung der Serie allein, inzwischen steht ihm mit Michelle Paradis eine Co-Showrunnerin zur Seite, die ab Staffel Drei die Serie wohl allein führen wird. Ich schreibe das alles, weil ich verstehen will, warum diese zweite Staffel von Star Trek: Discovery einfach nicht in Gang kommen möchte. Es liegen zwar ganz viele Puzzleteile auf dem Tisch. Aber so richtig wollen sie sich einfach nicht zusammenfügen, als kämen sie aus unterschiedlichen Boxen, aber keiner merkt es.
Was macht eigentlich Jett Reno?
Die Enterprise, deren Auftauchen diese Staffel mit einem Knalleffekt eröffnete? Verschwunden in einer ominösen, endlosen Reparatur. Der Red Angel: Startete als mystische, quasi-religiöse Erlöserfigur, ist nun eine zeitreisende Astronautin in einer Techno-Hose. Ash Tyler: Wird überraschend Vater, muss sich von seinem Sohn direkt wieder trennen, steht nun wie bestellt und nicht abgeholt in der Kulisse rum und fragt sich, warum er eigentlich noch Teil dieser Serie ist. Eigentlich gehört er zu Sektion 31, doch was in deren Hierarchie passiert, versteht schon lange kein Mensch mehr. Es gibt eine Verschwörung gegen Spock, eine gegen Captain Leland, eine gegen die Föderation, random Admiräle geben random Befehle, nehmen sie zurück, werden plötzlich getötet, aber niemanden interessierts, und ab und zu läuft die böse Imperatorin ein bisschen Amok auf einem Klingonenplaneten.
Aus dem Nichts tauchen Charaktere auf wie die schnippische Ingenieurin Jett Reno, ein fischgesichtiger Offizier namen Linus oder Pikes XO Number One, sagen ein paar Sätze und verschwinden dann auf Nimmerwiedersehen im Nirvana der konfusen Drehbücher. Und als wäre es nicht schon mühsam genug, die komplizierte Handlung zusammenzuhalten, schafft sich die Serie ständig Verschlimmbesserungen, die vielleicht ein Problem lösen, aber zwei neue hervorrufen. Eine seltsame, allwissende Sphäre wird vor allem dann eingesetzt, wenn es darum geht, die Handlung einer Folge in 45 Minuten zu quetschen. Der einst ängstliche Saru mutiert zu einem Superhelden, der passenderweise immer genau dann eine neue Fähigkeit entwickelt, wenn gerade mal ein Infrarotblick gebraucht wird. Und wenn gar nichts mehr weiterhilft, hat Sektion 31 irgendein abgefahrenes Stück Future-Tech am Start.
DEFCON-Level of Fun
Inzwischen ist die Handlung so verrückt geworden, dass selbst die dramatischen Enthüllungen und Entwicklungen dieser mal wieder wahnwitzigen zehnten Folge nicht mehr als ein Achselzucken hervorrufen. Wir waren im Spiegeluniversum, haben einen Krieg mit den Klingonen angezettelt und wieder beendet, Menschen sind gestorben und wiederauferstanden, verdammt noch mal, wir haben das Universum mit einer Pilz-Achterbahn bereist; dieser Serie ist inzwischen kein Twist zu gewagt, keine Pseudo-Wissenschaft zu weit hergeholt, um daraus nicht eine völlig verrückte Episode zu machen. Alles muss, nichts kann, ist das Motto. Oder, um es mit Philippa Georgiou zu sagen: “DEFCON-Level of fun.” Aber vielleicht wäre es an der Zeit, dass auch mal irgendwer sagt: “Nee, Du, lass mal. Heute keinen Dreier. Lass einfach nur ein bisschen kuscheln.”
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