Seit drei Wochen mache ich nun pro Woche je eine Videokonferenz für die Grundschulklassen meiner Kinder. Ich möchte in diesem Blogpost ein paar meiner Erfahrungen teilen. Vor allem möchte ich dazu ermutigen, derartige “Klassentreffen” auch im Grundschulalter einzusetzen.

Da die Grundschulen noch bis zum 4. Mai geschlossen bleiben und danach nur sehr langsam geöffnet werden, werden sich viele Lehrerinnen und Lehrer verstärkt mit Videokonferenzen beschäftigen müssen, um mit ihren Schülerinnen und Schülern in Kontakt zu bleiben. Und es lohnt sich, das zu tun. Die Kinder lieben es!

Ich habe von vielen Eltern und Kindern tolle Rückmeldungen auf die Videoklassentreffen bekommen. Mal wieder die Klassenkameradinnen und -kameraden zu sehen, ist ein tolles Erlebnis und in den meisten Haushalten ein echter und nachhaltiger Stimmungsaufheller.

Kurz zu den Umständen, auf die ich mich hier beziehe: Unsere ältere Tochter geht in die “Seehund-Klasse” und kommt im Sommer auf die weiterführende Schule. Unser Sohn ist im ersten Schuljahr in der “Zebra-Klasse” gelandet. Meine Erfahrungen beziehen sich also auf Erst- und Viertklässler. Als Tool für die Videokonferenz habe ich Zoom in der kostenlosen Version genutzt. Natürlich gibt es Alternativen wie Go-to-Meeting oder Microsoft Teams, die im Detail unterschiedlich sind, im Großen und Ganzen aber ähnlich funktionieren.

Und nichts, was ich hier schreibe, ist die absolute Weisheit. Ergänzungen, Anmerkungen und Anregungen zu diesem Post sind jederzeit willkommen.

Nicht zu lang

Alle Erwachsenen, die jetzt wochenlang im Homeoffice arbeiten, wissen es bereits. Lange Videokonferenzen sind anstrengend. Das gilt auch für Kinder. Schließlich sitzt man die meiste Zeit vorm Rechner und guckt einfach jemand anderem beim Reden zu. Das ist so semi-spannend.

Meine Erfahrung: In der ersten Klasse reicht eine halbe Stunde aus. Bei einigen Kindern ließen die Konzentration und die Lust schon nach 15 Minuten nach, andere schaffen auch länger. In der ersten Klasse fällt es den Kindern noch schwer, sich in einer solchen Situation mitzuteilen. Redebeiträge sind dementsprechend kürzer.

In der vierten Klasse sieht das anders aus. Hier sind die Kinder sehr mitteilungsfreudig und tauschen sich gerne ausführlich untereinander aus (ist aber auch typabhängig). Hier kann man durchaus eine Schulstunde Videokonferenz einplanen. Da Zoom in der kostenlosen Version ohnehin ein Zeitlimit von 40 Minuten hat, passt das ganz gut.

Kein Unterrichtsersatz

Die gemeinsame Zeit in den Videokonferenzen ist knapp und wertvoll. Sie sollte meiner Meinung nach nicht mit einer Stunde Frontalunterricht Mathe vergeudet werden. Sicher kann man die Zeit nutzen für einen Check-In mit den Kindern, ob alle mit den Hausaufgaben klar kommen oder ob jemand Hilfe braucht. Das sollte es dann aber auch sein.

Im Vordergrund klassenweiter Videokonferenzen steht für mich, dass die Kinder sich mal wieder sehen können und Spaß haben. Es sollte eine Atempause vom eintönigen Alleinsein zu Hause sein und sich nicht nach Pflichtveranstaltung für die Schule anfühlen.

Thema überlegen

Das heißt nicht, dass diese Klassentreffen zufällig und unorganisiert ablaufen müssen. Im Gegenteil: Eine halbe bis dreiviertel Stunde Zeit will sinnvoll gefüllt werden. Ich habe mir vor jeder Stunde ein Thema überlegt und das per E-Mail an die Eltern/Kinder rumgeschickt.

Einmal haben wir Tipps gegen Langeweile gesammelt. In einer anderen Stunde habe ich Google Earth genutzt, um mit den Kindern einmal um die Welt zu ihren letzten Urlaubsorten zu reisen. Ein lustiges Chaos war das gemeinsame Singen, inklusive Klavierbegleitung durch die Klassenlehrerin.

Das heißt: Es dürfen ruhig pädagogisch wertvolle Inhalte passieren. Aber es sollte kein Frontalunterricht sein, sondern Spaß machen und interaktiv sein.

Die Kinder reden und machen lassen

Ganz wichtig: Die Redezeit gehört den Kindern, nicht den Erwachsenen. Es sollte jedes Kind die Chance bekommen, etwas zu erzählen, wenn es das möchte. Bei den Jüngeren müssen natürlich die Eltern mit dabei sein und hier und da Hilfestellung geben, nicht nur mit der Technik. Die Redesituation ist sehr ungewohnt für eine Erstklässlerin. Aber es sollte keine Elternsprechstunde sein.

In der vierten Klasse ist das kein Problem, da kommen die Kinder gut alleine klar. Sie können sich sehr gut alleine ausdrücken und teilen sich auch gerne mit. Bei mir hat es nicht lange gedauert, und die Jungen und Mädchen hatten selber herausgefunden, wie man in Zoom Reaktionen benutzt, den Hintergrund ändert oder chattet. Das sollte man alles zulassen, es erhöht den Spaßfaktor ungemein.

Zettel, Stift und Gegenstände

Bei den Erstklässlern ist es etwas schwieriger, weil sie noch nicht so schnell schreiben können, funktioniert aber auch: Auf Zettel kann man kleine Botschaften schreiben und diese in die Kamera halten oder auch mal was zeichnen. Das bringt Abwechslung mit rein und gibt den Kindern etwas zu tun.

Überhaupt: Alles, was über reines Reden hinausgeht, ist super. Fotos vom letzten Urlaub zeigen, Geschenke oder Süßigkeiten aus dem Osternest präsentieren, Haustiere vor die Kamera locken, bringt alles Spaß und Abwechslung mit rein. Davon kann es nicht genug geben!

Accounts umbenennen

Viele Kinder loggen sich über die Geräte der Eltern in die Videokonferenz ein. Standardmäßig heißen die Profile dann “Caros iPhone” oder “Bertram Heinemann”. Es ist für alle schöner, wenn die richtigen Namen der Kinder zu sehen sind. Ich habe darum zum Start der Konferenzen erklärt, wie man sich umbenennen kann. Kindern oder Eltern, die das nicht schaffen, kann man als Moderator helfen und die Profile selbst umbenennen (wenn man die Namen weiß…).

Alle Stummschalten

Als Gastgeber des Videocalls rate ich dazu, alle Teilnehmer standardmäßig auf “Stumm” zu schalten. Bei Zoom kann man das schon beim Planen des Meetings vordefinieren. Ansonsten gibt es ein einziges Durcheinander, weil die Kinder sofort anfangen, untereinander zu quatschen (“Ey, Jannik, wie weit bist du bei Brawlsters?”). Außerdem hört man jedes Hintergrundgeräusch in den Haushalten, weil die meisten Kinder kein Headset benutzen. Ausnahme: Einmal zur Begrüßung schalte ich alle ein. Danach gilt Funkdisziplin.

Alle Teilnehmer schon beim Eintritt ins Meeting stumm schalten.

Ich habe immer nur mich und die Klassenlehrerin eingeschaltet. Dann läuft es wie in der Schule. Die Kinder melden sich und kommen nacheinander dran. In Zoom kann man es einstellen, ob Teilnehmer ihre Stummschaltung selbst aufheben dürfen, oder ob das der Moderator machen muss. Das entscheidet man am besten danach, wie technisch fit und diszipliniert die Kinder sind. Dieses tolle Feature wünscht sich mancher Lehrende im Real Life…

Das Tool kennen

In den meisten Videotools gibt es viele zusätzliche Funktionen wie Chats, Screensharing und Anmerkungen. Hier darf man nicht unterschätzen, wie findig die Kinder sind.

Ich habe einmal mit Screensharing gearbeitet. Nach ein paar Minuten haben ein paar Kinder gemerkt, dass sie in meinen Screen Anmerkungen für alle reinschreiben können. Ich kannte dieses Feature gar nicht und habe mich erst über die Kritzeleien im Bildschirm gewundert. Zum Glück habe ich schnell herausgefunden, wie man das deaktiviert. Dass Kinder ihren eigenen Screen sharen können, sollte man immer übrigens immer deaktivieren (siehe nächster Punkt).

Wer Zoom und Co. nicht kennt, macht am besten vorher ein Test-Meeting mit ein paar Freunden. Bevor man kalt in eine große Klassenkonferenz startet, kann man sich darin mit allen Features vertraut machen und wie man sie entsprechend an- und abschaltet.

Kinder- und Datenschutz

Schon zum Start der Auszeit haben viele Schulen mit Videocalls gearbeitet. Schnell häuften sich Berichte von “Zoom-Crashing”. Internet-Trollos hatten die Webadressen von Zoom-Calls erraten, gegoogelt oder gecrawlt und sich unerlaubterweise Zutritt verschafft. Inzwischen hat Zoom darauf reagiert und sein Passwort-Feature zum Standard gemacht. Außerdem gibt es hier einen Blogpost von Zoom mit Tipps, wie man seine eigene Konferenz sicherer machen kann. Damit sind die Calls schon mal um einiges besser geschützt. Aber das zeigt: Kinderschutz und Datenschutz sind natürlich wichtige Themen, über die man sich Gedanken machen muss.

Bildschirm teilen nur für den Host erlauben. Das erhöht die Sicherheit im Meeting.

Vorsicht vor allem beim Teilen von Inhalten: Ich habe immer das Screensharing für andere Teilnehmer deaktiviert, damit nicht aus Versehen (oder absichtlich) Dinge geteilt werden können, die nicht in den Klassencall gehören. Außerdem gibt es immer die Ansage, keine privaten Fotos im Chat zu teilen, einfach nur zur Sicherheit.

Für Profis, die drüber nachdenken: Natürlich können die Sessions auch mit Zoom aufgezeichnet werden. Dafür benötigt man VORHER die Erlaubnis ALLER Eltern von teilnehmenden Kindern.

Video ist nicht für alle

Man sollte sich immer bewusst sein, dass solche Videokonferenzen nicht für alle sind. Die Hürden teilzunehmen sind zwar niedrig. Es reicht theoretisch ein Smartphone mit Internetzzugang. Aber manche Familien haben auch dazu keinen Zugang. Deren Kinder können nicht an Videokonferenzen teilnehmen. Andere Eltern wollen vielleicht nicht, dass ihre Kinder vor der Kamera zu sehen sind oder Einblicke in ihr Zuhause geben. Woanders mag es Sprachbarrieren geben oder Unsicherheit mit der Technik.

Was die Gründe auch sein mögen, man muss es respektieren, dass manche Kinder  nur eingeschränkt oder nie an Videocalls teilnehmen werden. Das kann dazu führen, dass die Kinder und deren Familien sich ausgeschlossen fühlen. Das sollten Klassenlehrerinnen und -lehrer auf dem Schirm haben, damit sie entsprechend andere Arten der Kontaktaufnahme fördern können.

Zum Schluss

Der Schlüssel zu gelungenen Videokonferenzen ist, die Kinder einzubeziehen und Spaß zu haben. Ich lerne auch bei jeder Konferenz dazu. Ich denke, es gibt eine Menge Möglichkeiten, um zum Beispiel die Interaktion unter den Kindern zu fördern. Sicherlich sind auch der Kreativität keine Grenzen gesetzt, was Wissensvermittlung angeht. Motivierte Lehrerinnen und Lehrer können hier eine Menge rausholen, wenn sie zum Beispiel eine Mathestunde in ein lustiges Kasperle-Theater verwandeln, gemeinsam eine Geschichte vorlesen oder Sport machen. Ausprobieren, was geht!

Ich hoffe, ich konnte mit diesem Beitrag helfen, Videokonferenzen für Grundschüler zu organisieren. Abschließend vielleicht noch eine politische Anmerkung: Ich finde, die Schulministerien in den Ländern sollten dafür sorgen, dass ALLE Lehrerinnen und Lehrer im Land Zugang zu mindestens einem Videotool in der Pro-Version haben.

Ich bin ansonsten gerne bereit, weitere Fragen oder Hilfestellungen zu geben, bzw. meine Erfahrungen zu teilen. Einfach einen Kommentar schreiben oder mich hier kontaktieren.

Ach ja: Das Zebrabild hat unsere Tochter gemalt.