Der 38. Band von Asterix und Obelix „Die Tochter des Vercingetorix“ stellt eine neue Heldin vor. Die aufmüpfige Adrenaline ist mindestens so unbeugsam wie unsere gallischen Freunde und hätte das Zeug für eine eigene Serie.
„Die sieht cool aus“, sagt meine Tochter, als sie zufällig den Asterix-Band bei uns im Wohnzimmer entdeckt und auf das Cover blickt. Sie meint Adrenaline, die titelgebende „Tochter des Vercingetorix“, die Asterix und Obelix in ihrem neuesten Abenteuer unter ihre Fittiche nehmen müssen. Das meine Kleine sich spontan und ohne die Geschichte zu kennen auf die Seite der gallischen Revoluzzerin schlägt, ist ein erstes Lob in Richtung Jean-Yves Ferri und Didier Conrad, die als Autorenpaar zum vierten Mal die Feder bei der Comicserie führen. Die Ausstrahlung der rotbezopften Titelheldin des 38. Abenteuers unserer unbeugsamen Freunde wirkt ganz offenkundig über die Geschichte hinaus. Adrenaline ist ein Gewinn für die Asterix-Welt, das kann ich vorwegnehmen. Aber gilt das auch für den Rest der Geschichte?
Neues Leben, aber noch kein Glanz
Seit 2013 „Asterix bei den Pikten“ erschien, haben Ferri und Conrad die Hefte in der Hand bei Asterix, und der Serie damit neues Leben eingehaucht. Sie beendeten damit das dunkle Zeitalter der legendären Comicreihe, als ein alternder Uderzo mit jeder Ausgabe mehr Mühe hatte, etwas zu Papier zu bringen, das man auch nur annähernd als Geschichte bezeichnen konnte. Doch auch wenn inzwischen so etwas wie Normalität in das kleine, uns wohl bekannte gallische Dorf eingekehrt ist: Vom Glanz alter Zeiten ist die in die Jahre gekommene Serie immer noch entfernt.
Dabei beginnt die Geschichte um „Die Tochter des Vercingetorix“ durchaus vielversprechend. Nach der legendären Niederlage des gallischen Häuptlings bei Alesia, ein Motiv, das treue Leser nur allzu gut kennen dürften, kümmern sich seine Verbündeten um den Nachwuchs ihres gefallenen Anführers. Die aufmüpfige Adrenaline wächst fortan bei zwei Vätern auf, was einen durchaus amüsanten Subtext mit sich bringt. Doch das Leben der Teenagerin ist in Gefahr: Die stolze, junge Frau kommt ganz nach ihrem Vater, und fernab in Rom fürchtet Cäsar, sie könnte einst zu einem Symbol des Widerstands werden. Also setzt er einen Verräter auf sie an: Miesepetrix, einst an Vercingetorix Seite kämpfend, soll Adrenaline nach Rom bringen, wo sie zu einer „echten Römerin“ gemacht werden soll. Wer könnte das Mädchen besser vor dieser Bedrohung schützen als unsere Helden Asterix und Obelix?
„Hier prügeln sich eh‘ alle“
Tatsächlich muss ich sagen: Wie sich nicht nur unsere beiden Freunde, sondern das ganze gallische Dorf mit einer 15-Jährigen rumschlagen müssen, gehört zum Witzigsten, was ich bei Asterix seit langem gelesen habe. Rumschlagen ist im Falle unserer Gallier natürlich wörtlich zu nehmen. Wenn Asterix und der Rest des Dorfes über Erziehungsmethoden streiten („Druck führt bei Kindern zu nichts…“), fliegen natürlich schnell die Fetzen. „Ist aber normal, hier prügeln sich eh alle,“ wissen Adrenalines neue Freunde, der Nachwuchs einiger Dorfbewohner, die Neue zu beschwichtigen. Der ist die ganze Aufmerksamkeit trotzdem überhaupt nicht recht.
Ferri und Conrad lassen die Gallier, die es sonst furchtlos mit einer ganzen Garnison Römer aufnehmen, herrlich an den Launen einer Bande pubertierender Jugendlicher verzweifeln. Darin werden sich viele Eltern problemlos wiederfinden. Die Kids hingegen dürfen durchaus zeitgemäß auf das verschwenderische „Wildschweinesystem“ der Erwachsenen schimpfen, Fridays for Future grüßen hier auf gallisch. Ja, in den ersten zwei Dritteln der Geschichte ist der neue Asterix ganz auf der Höhe der Zeit. Nicht nur die Geschichte stimmt, auch die Zeichnungen Conrads sind großartig. Ehrwürdige Charaktere wie Majestix oder die Alesianer wecken stilistisch Erinnerungen an frühe Meisterwerke wie „Der Avernerschild“. Dass Adrenaline hingegen sehr cool und modern aussieht, haben wir ja schon festgestellt. Leider schaffen Ferri und Conrad es nicht, das hohe Niveau zu halten.
Gebt ihr eine Serie
Dem Bösewicht Miesepetrix fehlt die Ausstrahlung, die Adrenaline im Übermaß hat. Zu keinem Zeitpunkt ist er eine echte Herausforderung für unsere gallischen Freunde. Die obligatorische Begegnung mit den Piraten geht dann auch gar nicht mehr so flüssig von der Hand wie noch der Anfang der Geschichte, die mit jeder Seite mehr ins Holpern gerät. Am Schluss vertrauen die Autoren auch ihrer Hauptfigur nicht so recht, die auf den letzten Seiten hauptsächlich mit verschränkten Armen der Handlung um sie herum schmollend zusieht. Ihre Konflikte lösen Ferri und Conrad dann leider auf herzlich konventionelle und einfallslose Art. Was schade ist, denn die resolute Adrenaline hätte das Potenzial, zur Hauptfigur einer eigenen Spin-Off-Serie zu werden. Das – sind wir ehrlich – von alten, weißen Männern dominierte Asterix-Universum könnte eine jüngere Heldin, die den alten Säcken Paroli bietet, durchaus gebrauchen und vertragen. Sonst werden es weiter, fürchte ich, weiter nur die Papas sein, die Spaß an Geschichten aus Gallien haben. Und das wäre doch sehr schade.
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