Captain Picard kehrt auf die TV-Bildschirme zurück. Wer sich standesgemäß auf die neue und lang erwartete Serie “Star Trek: Picard” einstimmen möchte, für den habe ich hier die passende Empfehlung. Zwar hat StarTrek.com eine Watchlist mit allen Filmen und Folgen veröffentlicht, die man vor der Serie gesehen haben sollte. Aber eine Folge fehlt darauf, die ich euch unbedingt ans Herz legen möchte. “All Good Things”, auf deutsch etwas unpoetischer “Gestern, Heute, Morgen” betitelt, ist nicht nur ein großartiges Finale für eine wegweisende Science-Fiction-Serie. Die Folge hat auch das epische Finale eines anderen Mammut-Franchise inspiriert.

Darum geht’s

Die Episode spielt auf drei Zeitebenen, der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft von Jean-Luc Picard. Nun sind Zeitreisen Standard bei Star Trek. Insofern ist auch in der Gegenwart der Enterprise-D niemand verwundert, als ein verstörter Jean-Luc Picard seiner Crew mitteilt, dass er scheinbar unkontrollierbare Zeitsprünge erlebt. Anders sieht das in den anderen Zeitebenen aus: 25 Jahre später tun sich Picards alte Weggefährten schwer, dem inzwischen über 80-Jährigen, der noch dazu an einer Form der Demenz erkrankt ist, seine seltsame Geschichte zu glauben. In der Vergangenheit hingegen sieht sich Picard mit einem anderen Dilemma konfrontiert. Er landet ausgerechnet in dem Moment, in dem er seine erste Mission an Bord der Enterprise antritt. Aus Sorge, die Zeitlinie zu verändern, kann er die Crew nicht in seine Erlebnisse einweihen. Doch als er direkte Befehle der Sternenflotte missachtet, beginnen Tasha Yar und die anderen Offiziere an ihrem neuen Captain zu zweifeln.

Doch genau auf diesen ersten Einsatz, die “Mission Farpoint”, geht alles zurück: Damals trafen Picard und seine Crew erstmals auf den ebenso allmächtigen wie nervtötenden “Q”. Und der kosmische Narr zieht auch diesmal die Fäden im Hintergrund. Er ist es, der Picard durch die Zeit schickt. Warum? Weil er es kann. Und natürlich steht das Schicksal der Menschheit auf dem Spiel. In allen drei Zeitebenen muss Picard seine Mannschaft hinter sich vereinen, um das Schlimmste zu verhindern.

Das war gut

Captain Picard ist der Hauptcharakter von All Good Things. Und die Folge bringt noch einmal das Beste in ihm hervor. Wie kein anderer Captain schafft es Picard mit Menschlichkeit und Führungsstärke, das beste aus einer zufällig zusammengewürfelte Mannschaft herauszuholen. Die Crew muss all ihre Fähigkeiten und Talente in die Waagschale werfen, um die Katastrophe abzuwenden. Sie schafft das nicht, weil sie schlauer ist als andere oder die bessere Technologie hat. Sie schafft das, weil sie ein Team ist, das in der Lage ist, Differenzen, Meinungsverschiedenheiten und unterschiedliche Ansichten zu überwinden. Und an der Spitze dieses Teams steht Jean-Luc Picard, als Fels in der Brandung, auf dessen Urteilskraft selbst in scheinbar ausweglosen Situationen Verlass ist.

Ich mag Zeitreisen nicht so gerne, weil sie selten in sich logisch sind. Hier funktioniert der Sprung durch Zeiten. Weil es nicht darum geht, ob Zeitreisen, möglich, sinnvoll oder logisch sind, und welche Auswirkungen sie haben. Es geht, typisch für The Next Generation, um das, was uns Menschen zu Menschen macht. Q vertritt den Standpunkt, dass die Menschheit nur ein Staubkorn im Universum sei. Darum verlangt er von Picard, dass dieser sich in seiner knapp bemessenen Zeit gefälligst mit den großen Geheimnissen des Universums anstatt mit den scheinbar belanglosen, privaten Probleme seiner Mitmenschen beschäftigen solle. Doch das allwissende Überwesen übersieht dabei, dass genau darauf der Zusammenhalt und die Stärke der Enterprise-Crew gebaut ist. Picard beweist Q, dass nur dadurch, dass er sich immer um seine Crew gesorgt hat, diese bereit war, mit ihm “dorthin zu gehen, wo noch nie ein Mensch zuvor gewesen ist.”

Die Menschen um uns herum machen uns zu dem, was wir sind. Und ohne sie sind wir nicht in der Lage, überhaupt irgendeine Erkenntnis zu erreichen. Es ist die Essenz von Star Trek in einer Folge.

Was mir nicht gefallen hat

Ich finde, All Good Things ist eine nahezu perfekte Star Trek-Folge. Mittendrin tut sich freilich ein Logikfehler in der Handlung auf, groß wie eine Raumanomalie. Ohne zu viel zu verraten, hat er damit zu tun, wie die drei Raumschiffe namens Enterprise in den unterschiedlichen Zeitlinien miteinander verbunden sind. Angeblich ist dieses Detail den Autoren selbst erst aufgefallen, als die Folge das erste Mal ausgestrahlt wurde. Doch nicht mal das stört am Ende, weil die Folge emotional so großartig funktioniert. Will man eine Sache kritisieren, dann, dass All Good Things zu kurz ist. Ansonsten steht diese Episode zurecht in vielen “Beste-Star-Trek-Folgen-Aller-Zeiten”-Listen weit oben.

Enterprise: Endgame

Wie prägend diese Folge ist, mag man auch daran ablesen, dass sie das Finale eines anderen Mega-Franchises maßgeblich beeinflusst hat. In einem Interview mit Entertainment Weekly hat Kevin Feige, seines Zeichens Chefproducer des Marvel Cinematic Universe, erklärt, dass er das Ende von TNG für eines der besten TV-Finals überhaupt hält.

“I talk a lot, because I’m a big-ass nerd, about Star Trek: The Next Generation, “All Good Things.” That to me is one of the best series finales ever. That wasn’t about death. Picard went and played poker with the crew, something he should have done a long time ago, right?”

Und tatsächlich gibt es ein paar Parallelen zwischen All Good Things und dem letzten Avengers-Film “Endgame”. In beiden spielen Zeitreisen eine große Rolle, und die Helden kehren zurück zu dem Moment, an dem alles begann. Und auch der versöhnliche Schluss von Endgame hat atmosphärisch sehr viel mit der letzten, wunderbaren Szene am Pokertisch an Bord der Enterprise gemeinsam.

Was bedeutet das alles für “Picard”?

Zunächst mal: In dieser Folge begegnen wir Picard ziemlich genau an dem Punkt, an dem wir ihn auch in der neuen Serie treffen werden. Die zukünftige Zeitlinie von All Good Things spielt gut 25 Jahre nach den Ereignissen von The Next Generation, und ungefähr hier setzt auch die neue Serie ein. Was man von dem bis jetzt veröffentlichten Material so sehen kann, lässt darauf schließen, dass sich Picard genau wie in All Good Things auf ein Weingut zurückgezogen hat. Picard leidet zu diesem Zeitpunkt an einer Art Demenz, dem Irumodischen Syndrom. Da bin ich gespannt, ob sie das für die neue Serie aufgreifen. Seit “Logan” wissen wir ja, dass Patrick Stewart großartig darin ist, jemanden zu spielen, der mit seinem nachlassenden Verstand zu kämpfen hat.

Darüber hinaus habe ich vor allem die Hoffnung, dass die Atmosphäre von All Good Things der Spirit ist, den die Macher der neuen Serie erzeugen wollen. Die Next Generation-Kinofilme, die danach kamen, waren, mit der Ausnahme von “First Contact”, nicht nur ziemlich unspannend. Sie fügten sich auch nicht wirklich gut in das Universum der Next Generation-Serie ein. Ich möchte auf keinen Fall, dass Picard The Next Generation Reloaded wird. Und auch auf Q als Charakter kann ich verzichten. Aber die Art und Weise, wie bei All Good Things Charakter, Geschichte und Dramaturgie harmonieren, ist definitiv nachahmenswert.

All Good Things findet ihr auf Netflix oder in der Videothek eures Vertrauens.