Crunch Time für Star Trek: Discovery: Die zweite Staffel der Sci-Fi-Serie geht in die letzten Runden. Und die Strategie ist klar: Wie bei einem angeschlagenen Boxer geht es nur noch darum, irgendwie zum Schlussgong zu kommen und auf einen Punktsieg zu hoffen. Ein K.O.-Sieg ist derzeit nicht in Reichweite.
A propos K.O. schlagen: Dafür ist bei Discovery niemand anderes zuständig als Michelle Yeoh. Als Philippa Georgiou verteilt sie in Perpetual Infinity einmal mehr ordentlich Arschtritte. Und wer liebt es nicht zu sehen, wie diese großartige Veteranin des Hong Kong-Kinos einen Typen windelweich prügelt. Könnte man jede Folge haben und es würde nicht langweilig werden. Yeoh schwelgt in ihrer Rolle und findet in jeder Szene genau die richtige Balance zwischen Ernsthaftigkeit und Karikatur. Dieser Serie hilft nur noch die ganz große Show, um noch irgendwie klar zu kommen. Also liefert Michelle Yeoh genau das jede Woche ab. Die Handlung ergibt schon lange keinen Sinn mehr, die Logik bleibt eigentlich alle fünf Minuten auf der Strecke. Was bleibt, sind die erstklassigen Darsteller.
Judgement Day
Ebenso denkwürdig ist der erste Auftritt von Sonja Sohn als Gabrielle Burnham. Die Mutter von Michael Burnham kämpft Sarah Connor-Style gegen eine übermächtig erscheinende Maschinenintelligenz. Hier heißt sie nicht Skynet, sondern Control, das Ergebnis ist das Gleiche: Die Menschheit wird ausgelöscht. Sohns ultraharte Performance steht im krassen Gegensatz zum selbstironischen, genießerischen Auftritt von Yeoh. Man spürt in jedem Augenblick, in dem sie auf dem Bildschirm ist: Diese Frau hat Dinge gesehen, die jedes Vorstellungsvermögen sprengen und jeden anderen Menschen in den Wahnsinn getrieben hätten. Und vermutlich ist das auch passiert. Nur, dass Gabrielle Burnham noch keine Zeit hatte durchzudrehen. Erst das Universum retten, dann Verstand verlieren, das ist die Reihenfolge.
Auch um die geistige Gesundheit von Michael Burnham muss man sich Sorgen machen. Die Frage, ob sie auch in dieser Folge einen tränenreichen Nervenzusammenbruch erleiden wird, stellt sich schon lange nicht mehr. Die Frage ist lediglich, wann es so weit ist. Das Trio aus Yeoh, Sohn und Sonequa Martin-Green schultert jetzt eine Staffel Star Trek, die es nie geschafft hat, sich darüber klar zu werden, welche und wessen Geschichte sie eigentlich erzählen will. Diese elfte Folge stellt in dieser Hinsicht fast schon eine erfrischende Abwechslung dar, weil sie etwas hat, dass es seit der Folge mit der religiösen Erdenkolonie nicht mehr gegeben hat: Fokus. Von dem Moment an, in dem der bedauernswerte Captain Leland von Control in einen Protoborg verwandelt wird, hält die Folge Kurs. Keine Nebenhandlungen, keine unnötigen Verschwörungen, die nur auf dem Papier stattgefunden haben, stattdessen eine klare Handlung, in der sich Control und die Crew der Discovery einen Wettlauf um die Zukunft liefern.
Achtung, Plothole!
Das ist freilich nur möglich, weil eine ganze Menge vom Ballast der vorherigen Folgen abgeworfen wird. Die Sinnkrise des auferstandenen Dr. Culber scheint jedenfalls zu Ende zu sein. Die Verschwörung rund um Sektion 31, die immerhin ein paar Admiräle das Leben gekostet hat, ist zu den Akten gelegt. Und auch Familie Spock ist wieder glücklich am Schachbrett vereint. Ab jetzt ist es Burnham vs. Control. Als Zuschauer tut man sich außerdem einen Gefallen damit, wenn man die unzähligen Löcher in der Handlung gnädig mit dem Mantel des Schweigens abdeckt. Wie hat die physisch nicht existente KI Control es geschafft, Leland in einem Zahnarztstuhl festzubinden? Warum flieht nur Ash Tyler vom Schiff von Sektion 31? Und was ist überhaupt an Bord dieses Schiffes los? Was tut der Rest der Sternenflotte in diesem Kurz-vor-der-Apokalypse-Szenario. Die Antworten auf diese Fragen würden uns wahrscheinlich verunsichern.
Aber gut: Discovery wankt. Aber fällt nicht. Und hat vielleicht doch noch die Kraft für einen Lucky Punch, der uns alle aus den Socken haut. Drei Folgen kommen noch.
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