Dem Lokaljournalismus geht es nicht gut. Die Lokalzeitungen verlieren seit Jahren stetig Leser und Anzeigenkunden. Lokalblogs haben sich in ganz Deutschland als alternative Nachrichtenangebote etabliert. Aber auch sie kämpfen um tragfähige Finanzierungsmodelle. In diesem Blogpost und beim Cashcamp 2020 der LfM NRW möchte ich darüber diskutieren, ob eine bessere Vernetzung und gemeinsame Vermarktung das ändern könnten.
Wie dramatisch die Lage für die Regionalverlage ist, steht im Bericht “Zur wirtschaftlichen Lage der deutschen Zeitungen 2020” des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger e.V. (BDZV). Mit unverminderter Geschwindigkeit verlieren die Zeitungen ihre Leser. In 2019 büßten die Regionalzeitungen weitere drei Prozent ihrer ohnehin schrumpfenden Auflage ein. Auch als Werbeträger werden Zeitungen immer uninteressanter. Zwar steigen die Erlöse im Digitalgeschäft. Die reichen aber nicht aus, um den Umsatzrückgang im Printmarkt aufzufangen. In 2019 haben die Zeitungsverleger dem Bericht zufolge 2,2 Milliarden Euro mit Anzeigen umgesetzt, sieben Prozent weniger als im Vorjahr. Anzeigen machen inzwischen weniger als ein Drittel des Gesamtumsatzes der Verlage aus.
Die reagieren nicht nur mit drastischen Preiserhöhungen auf die Krise. Sie sparen auch fleißig ein. Darunter leidet natürlich vor allem die journalistische Qualität. Kleine Redaktionen werden geschlossen. Immer weniger LokalredakteurInnen müssen immer größere Einzugsgebiete abdecken. So finden die LeserInnen in ihren Ausgaben immer weniger Informationen, die tatsächlich für sie relevant sind und bestellen enttäuscht ab. Es ist ein Teufelskreis. Und wenn wir den nicht durchbrechen, werden in vielen Regionen in Deutschland die Menschen bald ohne verlässliche, professionell erstellte Informationsangebote sein.
Content for free
Lokalblogs und Online-Zeitungen haben sich in ganz Deutschland als digitale Alternative zu den aussterbenden Zeitungen etabliert. Ich habe keine verlässlichen Zahlen dazu gefunden, wie viele es tatsächlich sind. Aber es gibt sie überall und in unterschiedlichsten Ausprägungen. Es gibt die journalistischen Laien, die mit viel Herzblut und Eigeninitiative eine eigene Plattform als Alternative zur saturierten Lokalpresse geschaffen haben; Leute wie Harald Wendler vom Mönchengladbacher Portal MG-Heute. Es gibt die Vollblut-JournalistInnen, die als Einzelkämpfer ihrer Region eine Stimme geben, zum Beispiel die Mainzerin Gisela Kirschstein und ihr streitbares Lokalblog “Mainzund”. Oder es gibt vollwertige Redaktionen, die das Modell “Lokalzeitung” ins Netz überführen. Das gelingt zum Beispiel dem Bürgerportal Bergisch Gladbach, gegründet vom ehemaligen Handelsblatt-Redakteur Georg Watzlawek.
Für das Bonner Blog “Bundesstadt.com” schreiben über 30 AutorInnen in einem losen Autorenverbund, zusammengehalten von den Digitalmenschen Johannes Mirus und Sascha Förster. Neben dem Bundesstadt-Blog betreiben die beiden noch den Aggregator BonnerBlogs.de. Die Aufwände dafür reichen von “Hobbyprojekt bis hin zu Side-Project bei der Arbeit”. Damit ist die Situation und das Hauptproblem vieler lokaler Online-Medien gut beschrieben: Die Refinanzierung ist brutal schwer. Selbst laufende Kosten für Webseite und die eigene Arbeitszeit reinzuholen, ist eine Herkulesaufgabe, von einem profitablen Projekt ganz zu schweigen.
Im Grunde seit es Blogs gibt, ist die Szene auf der Suche nach funktionierenden Geschäftsmodellen. Einen Ausweg bietet zum Beispiel die Plattform Steady. Mit der können Online-Medien eine eigene Bezahlcommunity aufbauen, ohne dafür eine eigene Infrastruktur schaffen zu müssen. Nach Angaben von Pressesprecherin Katrin Jahns nutzen rund 50 lokale Publikationen Steady, um zahlungsbereite Leser an sich zu binden, darunter die Prenzlauer Berg Nachrichten, die Neue Rottweiler Zeitung, das Bürgerportal Bergisch Gladbach.
Doch auch wenn Steady für das ein oder andere Portal gut zu funktionieren scheint, bleibt ein Grundproblem: das Reichweiten-Dilemma. Lokale Blogs erreichen meist nicht genug Menschen, um mit Abo-Modellen nennenswerte Erlöse erzielen zu können. Und die, die man erreicht, haben eine überschaubare Zahlungsbereitschaft. Die im Auftrag der Landesanstalt für Medien in NRW durchgeführte Studie “Money for Nothing and Content for Free?” hat gezeigt: Spotify, Netflix & Co. haben die Preispunkte im Online-Geschäft gesetzt. Bei zehn, elf Euro ist für viele NutzerInnen die Schmerzgrenze erreicht, wenn es um Ausgaben für digitale Medienservices geht. Und da reden wir von Plattformen, die Hollywoodfilme, Serien oder Musik als Flatrate anbieten.
Money for Nothing
Die fehlende Reichweite macht es aber auch schwer, mit einem Anzeigengeschäft auf die zweite Säule der Medienfinanzierung zu bauen. Lokalen Werbekunden bieten Regionalportale zwar eine attraktive Zielgruppe. Nur sind bei lokalen Werbeträgern die Budgets überschaubar. Mit Klecker-Beträgen für einmalige Anzeige lässt sich auf Dauer keine Vollredaktion finanzieren. Für die wirklich lukrativen Werbekunden, z.B. große Elektronikmärkte oder Fast Food-Ketten, ist man wiederum zu klein. Die fahren im Lokalen sowohl mit genau steuerbaren Facebook- und Google-Ads und als auch den guten, alten Postwurf-Prospekten besser.
Mal davon ab, dass Werbung zu akquirieren auch wieder mit Kosten verbunden ist: Entweder in Form von zusätzlichen Personalkosten, die dann auch erstmal wieder reingeholt werden müssen. Oder in Form von eigener Zeit, die einem dann für journalistische Recherchen fehlt.
Von Youtube-Netzwerken lernen
Ich habe auch kein Patentrezept für dieses Dilemma. Ich glaube aber an die Zukunft von Lokaljournalismus. Es gibt sicher hunderte, wenn nicht tausende LokalbloggerInnen in ganz Deutschland. Alle machen ihre Erfahrungen, begehen ihre Fehler und feiern ihre Erfolge. Wenn sich nur ein paar dieser Akteure besser miteinander vernetzen und voneinander lernen, dann werden alle davon profitieren. Ich bin mir sicher, dass viele BetreiberInnen von Online-Medien mit ähnlichen großen und kleinen Problemen zu kämpfen haben. Das reicht vom Betrieb und der Pflege einer Webseite, dem Aufbau eines Newsletters über Anzeigenakquise bis hin zu Communitybuilding via Social Media.
Im Influencer- und Social-Media-Bereich haben Netzwerke den entscheidenden Durchbruch zu einer Professionalisierung und erfolgreichen Geschäftsmodellen gebracht. Das InstagrammerInnen und YoutuberInnen heute von ihren Tätigkeiten leben können, ist auch der Tatsache zu verdanken, dass sie sich in Netzwerken zusammengeschlossen haben. Ich weiß das, weil ich selbst für das Youtube-Netzwerk Mediakraft gearbeitet habe. Damals habe ich erlebt, wie dutzende Creator davon profitiert haben, dass die Netzwerke Vermarktung, Produktion und Distribution von Online-Videos professionalisiert haben. Zwar haben die einstigen Multi-Channel-Networks ihr Geschäftsmodell verändern müssen. Aber als Vermarktungsplattformen und Dienstleister sind sie nach wie vor ein wichtiger Faktor für viele Content-Creator.
Dabei meine ich mit Netzwerken nicht den lockeren Blogger-Stammtisch, der sich alle paar Wochen trifft. Ich rede von professionell betriebenen Strukturen, in denen strategisch daran gearbeitet wird, das Geschäftsmodell für Lokalmedien weiterzuentwickeln. Folgende Dinge könnte ein derartiges Netzwerk leisten:
- Wissensaustausch fördern durch Schulungen, Wissensdatenbanken oder Newsletter,
- die Vermarktung vorantreiben, indem die gemeinsame Reichweite vermarktet wird und Werbekunden einen zentralen Ansprechpartner haben,
- wiederkehrende technische Probleme skalierbar lösen, zum Beispiel DSGVO-Konformität, Cookie-Einbindung, Analytics, etc..
Ich glaube, dass eine solche Organisation, wie immer die am Ende aussehen kann, lokalen Online-Medien dabei helfen wird, mehr Leser zu erreichen und neue Anzeigenkunden zu gewinnen. Kurz: Ein Netzwerk für lokale Online-Medien kann tragfähige Geschäftsmodelle für einen digitalen Lokaljournalismus fördern.
Diskussion beim Cashcamp 2020 der LfM NRW
Am kommenden Donnerstag, 24. September 2020, findet das Cashcamp der Landesanstalt für Medien statt. Es ist ein ziemlich gut besetzes Online-Barcamp, dass sich mit neuen Finanzierungsmodellen für Journalismus beschäftigt. Ich werde dort eine Session anbieten, auf der ich meine Idee vorstellen werde. Ich würde mich freuen, wenn ihr dort dabei seid und mit mir darüber diskutiert. Dabei sind nicht nur Blogger und Journalisten willkommen. Insbesondere würde ich mich über die Teilnahme von Entwicklern freuen, die Bock haben Technologien zu bauen, die lokalen Online-Medien helfen, ihre Ziele zu erreichen und ihre Probleme zu lösen.
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