Mutter sein war noch nie leicht. Auch im 23. Jahrhundert kann eine Frau nicht einfach Mutter sein und ihr Leben leben wie sie es für richtig hält. Ständig steht sie unter dem Druck menschlicher, vulkanischer oder klingonischer Konventionen und muss die damit verbundenen Erwartungen erfüllen. Da kann man schon mal Lust bekommen, vor Wut allen Männern die Eingeweide rausschneiden zu wollen. Female Empowerment, Klingon style!

Was seine Charaktere angeht, bleibt sich Star Trek: Discovery auch in der dritten Folge der zweiten Staffel treu. Es sind weiterhin die starken Frauen, die die Handlung vorantreiben, und die wegweisenden Entscheidungen treffen. Da bleibt selbst einem charismatischen Anführer wie Captain Pike diesmal nur die Rolle des Statisten und Stichwortgebers. Stattdessen treffen wir auf ein paar alte Bekannte aus der ersten Staffel, allen voran Menschklingone Ash “Voq” Tyler, die Klingonenführerin L’Rell und, wie immer furios, die einst von Burnham aus dem Spiegeluniversum mitgeschleppte dunkle Version ihrer Mentorin Philippa Georgiou. Und zum ersten Mal machen wir intensivere Bekanntschaft mit Amanda Grayson, leibliche Mutter Spocks und Ziehmutter von Michael Burnham, die bislang nur eine Nebenrolle an der Seite von Burnhams Vater Sarek gespielt hat.

Spock ein Killer?

Amanda kommt mit schlechten Nachrichten an Bord der Discovery. Als sie ihren psychisch kranken Sohn sehen wollte, wurde ihr der Besuch verweigert. Aber nicht, weil man sie von ihrem Sohn fernhalten möchte. Wie sich herausstellen soll, ist Spock aus der psychiatrischen Einrichtung geflohen. Angeblich hat er dabei sogar mehrere Menschen getötet. Amanda glaubt an diese Version der Geschichte nicht und bittet ihre menschliche Ziehtochter um Hilfe. Die allerdings muss ihrer Mutter gestehen, dass sie möglicherweise eine Mitschuld an Spocks Zustand hat. Und bringt damit die ohnehin brüchig gewordene, heile Familienwelt endgültig zum Einstürzen.

Währenddessen geht auch auf der klingonischen Heimatwelt so einiges in die Brüche. L’Rells Herrschaftsanspruch wird von rivalisierenden Klingonenfamilien in Frage gestellt, auch weil sie nach wie vor den Menschen Ash zu ihren engsten Vertrauten zählt. Aber auch in der Beziehung zwischen Ash und L’Rell knirscht es gewaltig. Ash muss erfahren, dass L’Rell ein gemeinsames Kind vor ihm geheim gehalten hat. Und bevor wir’s vergessen: Ein Gespenst geht um auf der Discovery. Tilly ist von einem Alienparasiten befallen und steht kurz davor, den Verstand zu verlieren.  

Bodyhorror und GoT-Cosplay

Es ist eine wilde Folge, die Olatunde Olunsanni hier inszeniert hat. So, wie die Kamera in einigen Szenen schwindelerregende Kapriolen vollführt, überschlägt sich auch die Handlung von “Point of Light” immer wieder. Dabei fällt es dem Regisseur sichtlich schwer, die Fäden der mindestens drei größeren Plotlines sicher in der Hand zu halten, die auch in ihrer Tonalität völlig unterschiedlich sind. Die Geschichte um Tilly schwankt zwischen Psychothriller und Bodyhorror. Michael Burnham und ihre Mutter durchleben ein emotionales Familiendrama, während L’Rell und Ash auf Kronos ein blutiges Game-of-Thrones-Cosplay veranstalten. Es fällt schwer, es sich in dieser Folge gemütlich zu machen. Aber es kann ja auch nicht jede Disco-Folge ein Philosophie-Grundkurs werden.

Was die Folge am Ende zusammenhält, sind die starken Auftritte von Amanda, L’Rell und Georgiou. Jede muss sich auf ihre Art damit auseinandersetzen, dass ihr bisheriges Leben, dass sie im Griff zu haben glaubte, auseinandergefallen ist. Gefühle, so hatte es der Patriarch Sarek verfügt, sollten keinen Platz haben im Leben der Spocks. Entgegen ihrer mütterlichen Instinkte folgte Amanda dem Diktat, sah sich aber dennoch als warmherzigen Mittelpunkt ihrer Familie, vor allem für Michael, die auf Grund ihrer menschlichen Natur empfänglicher für die Nähe ihrer Mutter war.

Nun passiert Amanda das, wovor sich alle Eltern fürchten: Sie erkennt auf einmal ihre eigenen Kinder nicht mehr wieder. Damit zerbricht die letzte Verbindung zwischen den vier Familienmitgliedern der Spocks, die bis auf Weiteres auf sich allein gestellt sind. Auf der anderen Seite steht L’Rell, die wie Amanda Mutter eines Kindes ist, dass in ihrer eigenen Gesellschaft keinen Platz hat; und am Ende auch nicht im Leben der klingonischen Herrscherin. Sie wird, emotional manipuliert von der eiskalten Georgiou, zur tragischen Lady MacBeth-Figur dieser Episode: Um ihren Platz an der Spitze des Reiches zu behaupten, muss sie einer verstörenden Szene sowohl ihren engsten Vertrauten als auch ihr eigenes Kind verleugnen.

Bad Moms

Es ist selten in Film und TV, dass Frauen erlaubt wird, an ihren Mutterrollen zu scheitern – und trotzdem Heldin zu bleiben. Die schlechte Mutter ist üblicherweise ein sicherer Kandidat dafür, es hier mit einer Inkarnation des Bösen zu tun zu haben. Erst in den letzten Jahren brach auch dieses Rollenklischee etwas auf. Auch Discovery traut sich zu, dieses Thema ambivalent zu behandeln, und erlaubt am Ende ausgerechnet der sinistren Georgiou sogar einen schelmischen Moment. In einem kurzen Moment der Verzückung starrt die gnadenlose Assassinin das Baby von Ash und L’Rell an; ein Comic Relief, der einen kurzen Blick hinter die Fassade der Massenmörderin ermöglicht. In einem früheren Leben war sie selbst so etwas wie eine Ersatzmutter für Michael Burnham gewesen.

Am Ende gehen die drei Frauen dieser Folge unterschiedliche Wege, um ihr Scheitern in der ihnen zugedachten Rolle zu verarbeiten. Georgiou stellt sich als Auftragskillerin in den Dienst der obskuren “Sektion 31”. L’Rell entscheidet sich für ihr Imperium und wird zur Übermutter aller Klingonen. Lediglich für Amanda Grayson dürfen wir noch hoffen: Sie zieht alleine los, um ihren Sohn und ihre Familie zu retten. Und uns den Glauben daran zurückzugeben, dass eine Familie wenn schon nicht glücklich, so doch wenigstens versöhnt werden kann.