Ich weiß nicht mehr, wann ich die Geduld mit dieser Folge verloren habe. Es muss irgendwo zwischen der vierten Verabschiedungsszene und dem drölfzigsten Versuch, die Handlung zu erklären, gewesen sein. Mit der vorletzten Folge dieser zweiten Staffel Star Trek: Discovery ist die Serie endgültig an einem toten Punkt angekommen. Eine noch, dann haben wir es hinter uns.

Es gibt einen wichtigen Grundsatz, der für alle Filmemacher gilt, egal, ob sie Videos für Youtube oder Blockbusterserien produzieren: Show, don’t tell! Schließlich heißt es Bewegtbild, nicht Standbild. Und eigentlich müsste man annehmen, dass es reichlich zu tun geben sollte für die Crew der Discovery, die in voller Stärke der Bedrohung durch die KI “Control” entgegentritt. Tig Notaro, Admiral Cornwell, Georgiou, alle sind mit von der Partie, um die Apokalypse, respektive das Ende allen Lebens, zu verhindern. Doch selbst die sonst so zuverlässigen Darsteller wirken in “Such Sweet Sorrow, Part 1” distanziert von Plot und Personen. Kein Wunder, haben sie doch wenig bis gar nichts zu tun, außer vielleicht von Konferenzraum zu Konferenzraum zu irren, um über temporale Paradoxien zu diskutieren. Dabei steht soviel auf dem Spiel. Die Spannung müsste mit Händen zu greifen sein. Stattdessen rinnt Regisseur Olatunde Osunsami das viel zu melodramatische Script durch die Finger.

Discovery knows

Alles dreht sich jetzt um die Discovery selbst. Auf der Festplatte des Schiffs befinden sich die Daten, die Control braucht, um ein Bewusstsein zu erlangen. Doch selbst der Versuch, die Daten der Sphäre mit Photonentorpedos zu löschen, ist fehlgeschlagen. Wie es scheint, hat auch der Computer der Raumschiffs sowas wie einen Selbsterhaltungstrieb entwickelt und weigert sich hartnäckig, sich in die Luft sprengen zu lassen. Die letzte Hoffnung ist Michael Burnham. Mit Hilfe der Zeitreisen-Technologie ihrer Mutter soll sie in die Zukunft springen, die Discovery im Schlepptau ,und damit die Daten dem Zugriff von Control entziehen. Doch die waghalsige Mission hat einen Haken: Für Michael Burnham gäbe es wohl keine Chance auf Rückkehr. Sie müsste in der Zukunft bleiben und Freunde und Familie hinter sich lassen.

So gehen wir auf eine endlose Kaskade von tränenreichen Abschieden und herzerweichenden Versöhnungsszenen. Burnham verabschiedet sich von ihren Adoptiveltern, Tilly verabschiedet sich von Burnham, Pike verabschiedet sich von allen und wir Zuschauer verabschieden uns von der Erwartung, dass in dieser Folge noch irgendwas von Belang passieren wird. Es sind nicht nur künstliche Intelligenzen, die ein Bewusstsein entwickeln können. Offenbar kann auch eine Fernsehserie zu sich selber sprechen. Wenn Anson Mount als Christopher Pike nicht nur die Brücke der Discovery sondern auch die Serie verlässt, muss das natürlich gewürdigt werden. Doch die Selbstreferenz wird zum bleischweren Ballast, wenn sie Selbstzweck wird. An einer Stelle etwa witzeln Captain Pike und Number One zum wiederholten Mal in Richtung Hardcore-Trekkies über die nicht vorhandene holographische Kommunikation auf der Enterprise. Der ohnehin nur lauwarme, zum dritten Mal aufgewärmte Gag ist exemplarisch für eine Episode, die zu keinem Zeitpunkt auf Betriebstemperatur kommt.

Sarek aus dem Nichts

Die Dramaturgie wirkt unausgewogen, ohne Gefühl für Distanzen, Struktur und Kontinuität. In dem einen Moment steht alles Spitz auf Knopf: Eine willkürliche Lautsprecheransage erklärt uns, dass Control nur fünf Minuten (!) entfernt sei, die finale Weltraumschlacht steht kurz bevor, die Angst steht allen ins Gesicht geschrieben, verzweifelt sucht die Crew nach einer Lösung. Schnitt zum anderen anderen Ende der Galaxis: Auf einmal befindet sich Discovery an einem bislang unbekannten Planeten, wo sich die Charaktere in aller Seelenruhe die Handlung und ihre Gefühle füreinander erklären. Personen wie Burnhams Adoptiveltern, die wir seit Wochen nicht gesehen haben, tauchen aus dem Nichts des Weltalls auf, sagen ihren Satz und verschwinden dahin, woher sie gekommen sind, ohne dass die Handlung nennenswert voran gekommen wäre.

Das Faszinierende ist, dass, obwohl den Zuschauern ständig erklärt wird, was passiert ist, gerade passiert oder noch passieren soll, man zu keinem Zeitpunkt versteht, was wirklich abgeht. Es ist ein einziges Wirrwarr aus Roten Signalen, Roten Engeln, Zeit- und Dilithium-Kristallen, die mit dunkler Materie aufgeladen, rekalibriert und kontaminiert werden müssen. Ständig muss sich Irgendwer für Irgendwas opfern, Menschen in Uniform sind tief betroffen oder auch nicht, fallen sich in die Arme, verlassen das Schiff, verlassen es doch nicht, es geht rein und raus wie auf einem Busbahnhof.

Es knallt nicht mehr

Das ist schade, weil dadurch viele gut gemeinte Dinge ihrer Wirkung beraubt werden. Wenn Enterprise und Discovery Warpkern an Warpkern gemeinsam in die Schlacht ziehen, sollte das eigentlich ein episches Ereignis sein. Doch das ganze Potenzial aus diesem intergalaktischen Crossover bleibt ungenutzt und verpufft wie ein im Keller feucht gewordener Silvesterknaller. Diese Serie hatte vom Start der zweiten Staffel mit vielen Probleme zu kämpfen. Die Zeitreise-Handlung war meistens konfus, üblicherweise paradox und konnte nur selten inhaltlichen überzeugen. Charaktere wie Ash Tyler oder Paul Stamets blieben fast die ganze Staffel über blass. Nach 13 Folgen wirken sie ähnlich austauschbar und beliebig wie die Riege der zahlreichen Offiziere auf der Brücke. Mit Ausnahme der verblichenen Airiam und Lt. Owosekun haben die meisten von ihnen kaum mehr zu tun bekommen als Star Trek-Stanzen á la „Captain, wir werden gerufen“ von sich zu geben. Darüber, dass in jeder Folge aus dem Stand erfundene Pseudo-Wissenschaft herhalten muss, um die verworrene Handlung aus ihren Sackgassen zu befreien, rege ich ich mich schon gar nicht mehr auf.

Um auf einer positiven Note zu enden: Das Finale hat alle Chancen, groß zu werden. Eine epische Raumschlacht steht bevor. Das Rätsel um die sieben Signale ist noch nicht gelöst. Wo und vor allem wann Discovery enden wird, bevor es dann in ein paar Monaten in eine dritte Staffel geht, ist völlig offen. Den Tell-Part haben wir hinter uns, jetzt ist Zeit für ganz viel Show.