Mit einem Feuerwerk an Spezialeffekten endet die zweite Staffel Star Trek: Discovery. Am Ende entschwinden sowohl das Raumschiff als auch die Serie in eine ungewisse Zukunft.

Bei allem Tohuwabohu, dass Star Trek: Discovery in dieser Staffel veranstaltet hat: Eine Sache wurde konsequent durchgezogen von Anfang bis Ende. Es sind die Ladies, die die kräftigsten Arschtritte verteilen. Die Männer mögen vielleicht auf dem Stuhl des Captains sitzen und Befehle verteilen. Den Tag retten sie damit nicht (mehr). Discoverys Typen haben vor allem eine Aufgabe: Mit gutem Beispiel voran zu gehen und anzuerkennen, wenn die Frauen ihnen einen Schritt voraus sind. Zum Glück ist Captain Christopher Pike smart genug: “Follow the Queen!” weist er in der finalen Schlacht gegen die Drohnenarmee der KI “Control” die Verteidigungslinien der Sternenflotte an, der besseren Strategie von Tillys Alienfreundin Po zu folgen. Weniger smart: Oberschurke Leland, der, unter dem Einfluss von Controls Nanorobotern stehend, den entscheidenden Fehler macht, seine Widersacherin Georgiou zu unterschätzen. Stirb qualvoll, Trottel!

Admiral Granate

Nahezu alle bedeutsamen weiblichen Charaktere dieser Serie bekommen zum großen Finale ihren Moment zu glänzen, während sich die Rolle der Männer zum großen Teil auf das Geben von Stichworten beschränkt. Lieutenant Stamets wird schon früh außer Gefecht gesetzt. So sind es Silvia Tilly und Ingenieurin Jett Reno, die den Laden auf der auseinanderbrechenden Discovery zusammenhalten müssen. Als ein Photonentorpedo droht, die Enterprise in Stücke zu reißen, ist es nicht der Captain, der heldenhaft die Explosion aufhält, sondern Admiral Cornwell, die sich für alle anderen auf die Granate wirft. Der tapfer kämpfende Saru wird von seiner eigenen Schwester gerettet, als die Schlacht gegen die Übermacht Controls zu kippen droht. Und der schon lange handlungsunfähige Ash Tyler holt Klingonenmutti L’Rell zur Verstärkung, bevor er gar nichts mehr zu tun hat.

Und dann ist da natürlich Michael Burnham, unsere Heldin, die, genau wie diese verrückte Science-Fiction-Seifenoper selbst, nach wie vor auf der Suche nach ihrer Identität ist. Natürlich ging es bei allem, was in dieser Staffel passiert ist, um sie selbst. In einem inzwischen nicht mehr wirklich überraschenden Plot-Twist stellt sich heraus: Der Red Angel ist, war und wird immer Michael Burnham sein. Die Antwort auf alle offenen Fragen? Es ist eine Zeitschleife, Dummkopf! Das muss den Zuschauern als Erklärung reichen, und es ist für alle Beteiligten wahrscheinlich am besten, wenn an diesem Punkt keine weiteren Fragen mehr gestellt werden.

Alles auf Anfang

Es ist jedenfalls ein gewaltiger Reset-Knopf, den die Produzenten bei CBS am Ende dieser Staffel drücken. So ziemlich alles, was in den ersten beiden Staffeln passiert ist, wird mehr oder weniger ausradiert. Einerseits ist das eine schöne Sache. Für Staffel Drei stehen die Drehbuchautoren und Produzenten vor einem nahezu unbeschriebenen Whiteboard. Diese Star Trek-Serie hat alle Möglichkeiten, endlich dahin zu gehen, wo noch kein Mensch zuvor gewesen ist. Andererseits: So episch dieses großartige Finale geraten ist, hinterlässt es auch Bauchschmerzen, wie eine zu groß geratene Portion Nachtisch. Wenn schon die Macher der Serie ihrem eigenen Konzept nicht mehr vertrauen, wie soll ich das dann als Zuschauer tun?

Das Setting, Discovery zehn Jahre in die Zeit vor Raumschiff Enterprise zu verpflanzen, hat sich am Ende als gewaltiger Rucksack voller Steine erwiesen. Leider hat das nur selten neue Kräfte freigesetzt. Vor allem war es Ballast, der es erkennbar schwer gemacht hat, Discovery eine eigene, unverwechselbare Handschrift zu verleihen. Die Folge: Immer wieder hat sich diese Serie im selbst gebauten Irrgarten der verschiedenen Handlungsstränge verlaufen. Bestes Beispiel aus der letzten Folge: Ash Tyler, der wie selbstverständlich an der Seite der Klingonenherrscherin L’Rell in die Schlacht zieht. Hatte diese nicht erst vor ein paar Wochen Ashs Fake-Kopf in einen Abgrund befördert, um ihre Gefolgsleute glauben zu machen, es sei Schluss zwischen ihr und dem Mensch-Klingonen? Basierte nicht ihre gesamte Autorität als Herrscherin auf diesem einen Move? Ups…, aber ist ja jetzt auch egal. Heute ist ein guter Tag, das eigene Drehbuch zu ignorieren.

Nein, ein Meisterwerk des modernen Erzähl-Fernsehens ist Discovery immer noch nicht. Star Trek war schon immer im traditionellen Serienaufbau verhaftet. Mit modernen Erzählsträngen über mehrere Folgen tut sich die Serie erkennbar schwer. Meilensteine werden vor allem im audiovisuellen Bereich gesetzt: Was Effekte, Sound, Design und Ausstattung angeht, ist diese Serie in der Tat bahnbrechend. Eigentlich möchte man jede Folge im Kino auf der größtmöglichen Leinwand sehen. Bombastische Weltraumszenen, in denen ein Shuttle auf der Grenze eines schwarzen Loches tanzt, wechseln sich ab mit makroskopischen Details, in denen wir dieses faszinierende Raumschiff aus immer wieder neuen Perspektiven erleben. Jeder Dollar Produktionsbudget ist gut und richtig investiert.

Schwächelnde Charaktere

Doch wofür Discovery steht und stehen will, das weiß ich immer noch nicht. Da hat für mich sogar die martialische erste Staffel besser funktioniert, in der die moralischen Grauzonen der Sternenflotte ausgelotet wurden. Klingonenkrieg und Spiegel-Universum konfrontierten die Crew der Discovery mit den dunkelsten Dingen, zu denen die Menschheit fähig ist. Auf diese Weise kam das Beste dieser Crew zur Geltung. In Staffel zwei gelang es nicht mehr, die inneren Konflikte der Charaktere mit der Handlung in Einklang zu bringen. Die Figur des Red Angel, die uns von Anfang bis Ende begleiten sollte, hat nicht wirklich funktioniert, weil ihr Mysterium zu früh enthüllt wurde. Eine quasi-religiöse Erscheinung entpuppte sich als allmächtiges Gadget, um Logiklöcher in der Handlung einer TV-Serie zu schließen. Spannende und unterhaltsame Charaktere wie Burnhams Ziehvater Sarek, Admiral Cornwell, Jett Reno oder die Klingonin L’Rell tauchten auf wie unangemeldeter Besuch; und waren genauso schnell wieder verschwunden. Weder hatten sie eine Aufgabe, noch repräsentierten sie einen besonderen Aspekt dieser Serie und wirkten damit austauschbar und beliebig. Die Charakterentwicklung ist vielleicht der größte Schwachpunkt von Discovery.

Das setzt sich leider auch bei den Hauptfiguren wie Silvia Tilly fort. Tilly bekam einige starke Szenen in der ersten Hälfte der Staffel. Lange wirkte es so, als würde sie eine größere Rolle spielen und ihre eigene Geschichte rund um ihre Ausbildung zur Führungsoffizierin bekommen. Doch dann verschwand sie völlig in der Versenkung und beschränkte sich mit lustig gestammelten One-Linern auf ihre Rolle als Comic Relief an Bord der Discovery. Auch die Schauspieler von Ash Tyler und Paul Stamets wurden tapfer von Folge zu Folge im Vorspann aufgeführt. Zu tun hatten sie in dieser Staffel allerdings wenig, obwohl ihre Figuren reichlich Potenzial geboten hätten. Doch weder den persönlichkeitsgespaltenen Tyler-Voq noch den sporenreisenden Stamets wussten die Autoren sinnstiftend zu nutzen.

Who the Spock is f***?

Und dann ist da noch Spock. Ihn zum Bestandteil des Discovery-Universums zu machen, war vermutlich die schlechteste Idee, die es bei Star Trek je gegeben hat. Die Story zwischen ihm und Michael Burnham hat mich zu kaum einem Zeitpunkt wirklich gefesselt oder interessiert. Bis zuletzt hatte Spock nicht wirklich etwas Sinnvolles zu tun, außer im “Die Matrix”-Cosplay herumzustehen und irdische Philosophen zu zitieren. Der an den Haaren herbei gezogene Plot einer Verschwörung um Spock, der aus der Irrenanstalt ausbricht, in die er sich selber eingewiesen hat, weil sein Gehirn angeblich nicht mehr funktionierte, obwohl wir später erfahren, dass sein Gehirn das einzige ist, dass die kataklysmischen Proportionen der Handlung erfassen konnte, aber wo war ich -, ach so, die Irrenanstalt, aus der Spock ausbricht und dabei drei Menschen umgebracht haben soll, aber das ist nur eine Inszenierung von Sektion 31 oder Control oder Leland, oder allen oder niemandem, wir wissen es nicht, weil, es gibt keine Leichen und niemand macht sich überhaupt die Mühe, diese Story zu Ende zu erzählen, denn inzwischen geht es nur noch um ihn und Michael Burnham, sie ist die einzige, die ihm helfen kann, aber macht sie in Wahrheit alles nur noch schlimmer? – keiner weiß, und, ach, ich geb’s auf, das führt zu nichts, denn es blickt ohnehin niemand mehr durch.

Was ich sagen will: Die ganze Spock-Geschichte war emotional und erzählerisch überfrachtet, verkrampft inszeniert und hölzern geschauspielert und hat am Ende mehr Probleme und Fragen aufgeworfen als sie beantwortet hat. Spock selbst darf am Ende dieser Folge aussprechen, was wohl die meisten Fans und auch die Drehbuchautoren über die ganze Spock-Sache denken: “Wir dürfen nie wieder davon reden.” Klappe zu, vulkanisches Rieseninsektenmonster tot.

Pike for the win

Es hätte nicht so kommen müssen. Das beweist die Figur des Captain Pike. Der charismatische, besonnene Chef auf der Brücke war der perfekte Gegenpol zum tyrannischen Lorca aus Staffel Eins. Neben der einfach immer fabulösen Michelle Yeoh als fiese Imperatorin Georgiou ist Anson Mounts Pike für mich einer der großen Gewinner dieser Staffel. Auch Pikes Geschichte ist Star Trek-Fans sattsam bekannt gewesen. Doch bei ihm funktionierten die Bezüge und Anspielungen zur Originalserie ungleich besser als bei Spock. Gleichzeitig gelang es, der Figur neue Seiten hinzuzufügen und den Charakter interessant zu machen. Pike verkörpert einen modernen, auf Ausgleich bedachten Führungsstil. Er erlaubt seinen Mitarbeitern eigene Ideen und Gedanken vorzutragen, gibt ihnen die Freiheit, diese umzusetzen, ist bereit, eigene Entscheidungen zu revidieren, setzt sich aber durch, wenn es nötig ist. Der perfekte Chef und mit nur einer Staffel schon einer der ganz großen Star Trek-Kapitäne.

Nun, da das alles nochmal Revue passiert ist, kann man wohl von einem angemessenen Staffelfinale sprechen. Denn es führt uns noch einmal alle Stärken und Schwächen dieser Serie exemplarisch vor Augen. Tolle weibliche Charaktere, rasante Action und tolle Effekte. Aber auch eindimensionale, männliche Charaktere, konfuse Handlung und viel zu unglaubwürdige Sci-Fi-Gadgets. Star Trek: Discovery mag weit davon entfernt sein, die perfekte Science-Fiction-Serie zu sein. Aber es gibt genug, was ich mag. Mit Michelle Paradise wird eine Frau als Showrunnerin die Serie in ihre dritte Staffel führen. Das allein gibt mir Hoffnung, dass die Serie in der dritten Staffel endlich ihr ganzes Potenzial entfalten wird. Wir sehen uns in der Zukunft!