In der dritten Folge der ersten Staffel wird das Setup von “Star Trek: Picard” komplettiert. Jean Luc Picard steht endlich wieder auf der Brücke eines Raumschiffs.
Star Trek war schon immer gut darin, dem Zeitgeist auf die Spur zu kommen. Zu den besten Zeiten waren die Serien des Franchise ihm sogar voraus. Ganz soweit ist Picard noch nicht. Aber so wie die Serie sich mit dem gebrochenen Stolz eines ehemaligen Alpha-Mannes beschäftigt, ist sie auf einem guten Weg dahin. Es ist ein Phänomen, dass wir aus der heutigen Arbeitswelt gut kennen: Männer in Führungspositionen haben es schwer, sich ihrer eigenen Ersetzbarkeit bewusst zu werden.
Die Demontage des JL Picard
Ob Politiker, Wirtschaftsbosse oder Vereinsvorsitzende, sie alle eint eine Tatsache: Sind sie einmal an der Spitze der Hierarchie angekommen, halten sie sich schnell für das Maß aller Dinge. “Der Staat bin ich” hieß das mal in kondensierter Form. Heute versichern sich Führungsmänner ihrer eigenen Bedeutung gerne mit Sätzen wie “Ohne mich läuft in diesem Laden nix.” Oder: “Das können die sich gar nicht leisten, mich rauszuschmeißen.” Auch dem ehrwürdigen Jean-Luc Picard sind seine Erfolge zu Kopf gestiegen. Er hielt sich für unersetzbar in der Sternenflotte. Nun, so kann man sich irren. Als er seinen Arbeitgeber vor die Wahl stellt: „Entweder ich kriege meinen Willen, oder ich gehe“, da ließ dieser ihn gehen. Autsch!
Nichts heilt langsamer als verletzter Männerstolz. Drei Folgen lang durfte sich Picard nun die Ohren für seine Selbstgerechtigkeit lang ziehen lassen, übrigens fast immer von Frauen. In der ersten Folge war es eine nassforsche Reporterin, die den einstigen Superdiplomaten ziemlich alt aussehen ließ, und damit die öffentliche Persona “Jean Luc Picard” demontierte. In Folge zwei war es Admiralin Clancy, die dem hochdekorierten Admiral a.D. unmissverständlich klar machte, dass er in der Nahrungskette der Sternenflotte ganz unten angekommen ist. Damit war auch der Sternenflottenoffzier “Admiral Picard” endgültig erledigt.
In “The End is the Beginning” versetzt ihm seine ehemalige erste Offizierin Raffi Musiker den finalen Tiefschlag. Auch als Führungskraft und Vorbild für seine engsten Vertrauten hat “JL” versagt. Schlimmer noch: Er hat ein Crewmitglied im Stich gelassen, etwas, dass für den Captain der Enterprise nie in Frage gekommen wäre. Und während der alte, weiße Mann es sich trotz seines Scheiterns auf seinem Chateau in seinem Weltschmerz gemütlich machen konnte, strandete seine beste Mitarbeiterin allein in einem Trailer in der Wüste. Auch das darf man durchaus als Spiegelbild heutiger Verhältnisse verstehen.
Ja, Picard mag erkannt haben, dass er sein selbstgewähltes Exil auf dem Weingut hinter sich lassen muss. Aber der Weg zu alter Größe ist noch weit für den alten Mann, der jetzt dringend ein Erfolgserlebnis brauchen kann.
Rüstiger Rentner
Drei Folgen, um eine Serie in Gang zu setzen, ist ganz schön lang. Und es spricht für “Picard”, dass es bislang nicht zu lang vorkommt. Das Tempo stimmt nach wie vor, und ist erstaunlich hoch für eine Serie, in der es immerhin um einen 90-Jährigen geht. Doch Rentner-Picard ist noch rüstig genug, um es mit professionellen, hochgerüsteten romulanischen Auftragskillern aufzunehmen.
Was der Serie außerdem gut tut: Der Fanservice wird wohl dosiert und mit Bedacht eingesetzt. In dieser Folge treffen wir den Ex-Borg “Hugh” wieder, der einst von der Crew der Enterprise aus dem Kollektiv befreit wurde. Inzwischen arbeitet er an Bord des havarierten Kubus, den die Romulaner auszuschlachten versuchen. Sein erster Auftritt gerät allerdings fast zur Randnotiz, ist es doch die Androiden-Zwillingsschwester Soji, die immer mehr in den Mittelpunkt des Geschehens rückt.
Romulanischer Cocktail
Ihre Geschichte ist allerdings weit weniger vielschichtig als die von Picard auf der Erde. Was sich auf dem Borgwürfel abspielt, schickt sich an, die durchgeknallte Story von „Star Trek: Discovery“ in Sachen Aberwitz übertreffen zu wollen.
Noch ist unklar, wohin diese Geschichte führen soll. Die Zutaten für diesen Romulanisch-Borgschen Androiden-Cocktail sind jedenfalls gewagt. Bis jetzt im Mixer: Eine geheimnisvolle Replikantin mit Superkräften, die nichts über ihre wahre Herkunft weiß. Ein romulanischer Super-Geheimbund, den niemand kannte. Doppelagenten mit unklaren Allianzen. Ein Borg-Kubus, auf dem sich ein mysteriöser Super-GAU ereignet hat. Ein hassliebendes Geschwisterpaar. Und, als wäre das noch nicht genug, kommen jetzt noch Tarot legende, Prophezeiungen brabbelnde Schizos dazu. Science-Fiction meets Agententhriller meets Bodyhorror meets Gläserrücken. Das ist eine starke Mischung, die hoffentlich aufgeht.
Der TNG-Tipp der Woche
Schaut außerdem noch diese, zur aktuellen Picard-Folge passende TNG-Episode: S05E23 “I, Borg” (dt. “Ich bin Hugh”)
Die Enterprise findet auf einem zerstörten Planeten eine zurückgelassene Borg-Drohne. Der Crew gelingt es, “Hugh” aus dem Kollektiv zu befreien und die Assimilation rückgängig zu machen. Doch dann bietet sich eine möglicherweise einmalige Gelegenheit, die Borg zu vernichten. Doch dafür müsste Hugh geopfert werden.
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