Manchmal ist warme, wohlige Umarmung von guten Freunden alles, was man braucht. In Folge Sieben von Star Trek: Picard landet Jean-Luc Picard auf Planet “Schweden” und stärkt sich mit Pizza á la Commander Riker für das große Finale. Klingt langweilig, ist aber großes Kino.

Vertrauen ist das große Thema der siebten Episode von Star Trek: Picard, die für viele Fans sicher zu den Höhepunkten der ganzen Show gehören wird. Allein für die warmen, gefühligen Momente zwischen Picard, Deanna Troi und William T. Riker hat es sich gelohnt, diesen Neustart des Star Trek der TNG-Ära zu wagen. Doch bevor wir uns der Wiedervereinigung der halben Brückencrew der Enterprise widmen, schauen wir kurz auf die anderen Schauplätze dieser Folge.

Star Trek meets Mittelerde

Der seltsamste Charakter dieser Show bis jetzt ist für mich ohne Zweifel Elnor. Der spitzohrige Schwertkämpfer soll angeblich Romulaner sein. Aber Menschen, Super-Nerds, die nicht nur jederzeit wissen, welche Sternzeit wir gerade haben, sondern auch fließend elfisch sprechen, haben schon längst herausgefunden, dass Elnor in Wahrheit in ein anderes, wohlbekanntes Fantasy-Universum gehört.

Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, dass der bei romulanischen Nonnen aufgewachsene Nachwuchs-Legolas ein Poster seines großen Vorbilds über dem Bett hängen hatte. Gleich neben dem von Admiral Picard, versteht sich. Doch so sehr der wahr gewordene Fanfiction-Charakter Träume von irren Crossovers (“Star Trek vs. Mordor”) beflügelt, so blass war er bei seinen bisherigen Auftritten geblieben. Das ändert sich endlich mit Nepenthe, der siebten Folge von Star Trek: Picard.

Elnor enttäuscht Hugh

Mit der ersten eigenen Entscheidung seines Lebens hat sich Elnor nämlich zielsicher in die Bredouille gebracht. Als einziges Crew-Mitglied der La Sirena bleibt er auf dem Borgwürfel zurück. Dort will er Hugh und dessen Schützlingen helfen, gegen die romulanischen Schlächter zu überleben. Doch dabei trifft der klingenfertige Kämpfer erstmals auf einen ebenbürtigen, wenn nicht überlegenen Gegner.

Elnors Geschichte ist die von enttäuschtem Vertrauen. Elnor versprach Hugh und den anderen Ex-Borg auf dem Kubus einen Rettungsversuch, der letztlich nur scheitern konnte. Doch genau diese kalte Dusche hatte Elnor nötig, um aus dem Schatten von Picard und den anderen Crewmitgliedern zu treten. Der klingenfertige Kämpfer mag eine krachende Niederlage erlitten haben. Für die Figur in dieser Serie ist es ein großer Fortschritt, ihn endlich mal scheitern zu sehen.

Jurati kotzt im Strahl

Raffi, Rios und Jurati bilden indes die Rumpf-Crew des kleinen Raumschiffs, nachdem Picard mit Soji erstmal auf Landurlaub gegangen ist. Alison Pill als Dr. Jurati liefert hier den besten Auftritt der bisherigen Staffel ab. Die Floskel von der Achterbahnfahrt der Gefühle wurde für das erfunden, was Jurati in dieser Folge widerfährt; und ihr im wahrsten Sinne des Wortes auf den Magen schlägt. Selten jedenfalls hat man einen Charakter in 45 Minuten häufiger kotzen sehen als die zur Agentin zwangsrekrutierte Wissenschaftlerin.

Agnes Juratis Geschichte ist die von missbrauchtem Vertrauen. Die naiv anmutende, unerfahrene Weltraum-Novizin ließ Picard, Rios und Raffi glauben, ihre Motivation sei wissenschaftliche Neugier. Doch wie wir jetzt erfahren, war das die ganze Zeit nur vorgetäuscht. In Wahrheit ist sie die Saboteurin an Bord des Schiffes. Manipuliert durch eine sehr intrusive Gedankenverschmelzung mit Commodore Oh, der Sicherheitschefin der Föderation, ist sie sogar zur Mörderin geworden. Schuldgefühle plagen Jurati. Doch sie bringt es nicht über sich, ihre Fehler gegenüber ihren Freunden einzugestehen.

Rios und Raffi tappen freilich völlig im Dunkeln und durchschauen die sichtlich gestresste Jurati nicht. Es ist der Schwachpunkt einer ansonsten großartigen Folge: Man muss wohl einfach akzeptieren, dass der abgezockte Captain Rios so blind vor Liebe ist, dass er das Offensichtliche nicht erkennt.

Riker fährt die Schilde hoch

Doch damit zu dem eigentlichen Höhepunkt der Folge, der lange erwarteten Wiedervereinigung von Jean-Luc Picard mit seinen ehemaligen Offizieren William T. Riker und Deanna Troi. Es ist der erste Auftritt der beiden seit dem Kinofilm Nemesis, der mit der Hochzeit des Ersten Offiziers und der Schiffspsychologin begann. Inzwischen genießen sie mit ihrer Tochter Kestra den Ruhestand und leben den perfekten Öko-Hipster-Landlust-Traum.

Holzhaus in den Bergen, Selbstversorger-Kultur und einen bogenschießenden Wildfang als Tochter: Astrid Lindgren hätte sich dieses Idyll nicht besser ausdenken können. Die Fassade aus Tomatenranken, Außenküche und Eichenholztisch verbirgt freilich eine traurige Familiengeschichte, die auf Umwegen mit der Tragödie auf dem Mars verbunden ist.

Doch spätestens, wenn Riker in bestem “Number One” Tonfall seinem Google Home befehlt, die Schilde hochzufahren, wissen wir, dass das Ehepaar von der Enterprise vielleicht gealtert sein mag, in die Jahre gekommen sind sie keineswegs. Der Besuch von Picard und Soji bei den beiden wird vor allem für die Androidin zur wichtigen Erfahrung.

Der “alte” Picard kehrt zurück

Ihre Geschichte handelt von verlorenem und wieder gewonnenem Vertrauen. Es sind Riker, Troi und vor allem Kestra, die ihr klar machen, dass, wenn es einen Menschen gibt, dem man blind vertrauen kann, dieser Mensch Jean-Luc Picard ist. Gleichzeitig erinnern Picards alte Weggefährten ihn an seine größte Stärke als Anführer. Seine Besonnenheit, seine Gelassenheit und vor allem seine Menschlichkeit haben ihm eine natürliche Autorität verliehen, die er nun wiedergewinnen muss, wenn er seine Mission erfolgreich beenden möchte.

Beim gemeinsamen Abendbrot gelingt es Picard, Soji von seinem Vorhaben zu überzeugen. Und zum vielleicht ersten Mal in der neuen Serie erleben wir endlich wieder den alten Picard, den souveränen, in sich ruhenden Anführer, der auch in ausweglosen Situationen in der Lage ist, nicht nur die richtige, sondern auch die menschliche Entscheidung zu fällen. Picard hat stets das Beste aus Menschen wie Riker oder Troi herausgeholt. Aber die alten Weggefährten bringen auch das Beste in ihm hervor.

Und so fühlt man sich als Zuschauer in dieser Folge in besten Händen. Ist Riker als Pizza backender Super-Dad kitschig? Ist Kestra als altkluge Teenager-Tochter ein bisschen zu perfekt? Ist Troi zu melodramatisch? Ohne Frage. Aber das macht nichts. Mit der Gelassenheit von Darstellern, die diese Charaktere rund 200 Mal verkörpert haben, schlüpfen Jonathan Frakes, Marina Sirtis und Patrick Stewart in ihre alten Rollen wie in einen gemütlichen Lieblingspullover. Sie fühlen sich wohl in diesen Rollen. Und als Zuschauer darf man es ihnen gleichtun, die heimelige Atmosphäre im Hause Troi-Riker aufsaugen und sich einfach mal verwöhnen lassen.

Der TNG-Tipp der Woche (S06E057): Rascals (dt. Erwachsene Kinder)

Ein klassischer Transporterunfall macht aus Captain Picard einen aufmüpfigen 12-Jährigen. Als ein paar Ferengi die Enterprise angreifen, muss Commander Riker sich als Vater von Picard ausgeben. Köstlicher Star Trek-Blödsinn, der zeigt, welche Vater-Qualitäten in Riker stecken.